Epiphanie (NT)
Schlagworte: Begegnung (mit Jesus/Gott), Engel, Engel des HERRN, Erscheinung; Gottes, Jesu, Eschatologie, Gegenwart Gottes, Gottesbegegnung, Hilfe, Jesus begegnen, Offenbarung, Parusie, Rettung, Selbstmitteilung Gottes, Theophanie, Wiederkehr Christi.
(erstellt: Dezember 2018)
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1. Problematik
Der Begriff „Epiphanie“ (griech. ἐπιφάνεια /
epiphaneia) ist zwar in der christlichen Kirche ein zentraler Terminus, im Neuen Testament wird er als Bezeichnung für eine Gottes- bzw. Christuserscheinung allerdings nur wenige Male benutzt. Im Wesentlichen bezieht er sich hier auf die → Parusie Christi
Schlägt man im Theologischen „Fach- und Fremdwörterbuch“ (Hauck / Schwinge, 2010) unter „Epiphanie“ nach, wird man sogleich auf das Schlagwort „Theophanie“ verwiesen. Unter „Theophanie“ findet man dann die Erklärung: „Theophanie, Erscheinung Gottes“ (Hauck / Schwinge, 201011, 195). Das Wort theophaneia sucht man im Neuen Testament jedoch vergebens, während der Terminus epiphaneia, von dem sich das Wort „Epiphanie“ ableitet, immerhin an einigen wenigen Stellen in → Lukas
Um sowohl der Begrifflichkeit als auch dem Phänomen „Epiphanie“ gerecht zu werden, wird im Folgenden eine Zweiteilung vorgenommen. In einem ersten Teil werden die Begriffe
epiphaneia / epiphainō betrachtet, wie sie in der paganen griechischen Literatur, in der → LXX
Die Definition von „Epiphanie“, die diesem Artikel zugrunde liegt, lautet wie folgt: Epiphanie ist die freie und personal-substantielle → Offenbarung
2. Terminologie
2.1. Epiphaneia / epiphainō in paganen griechischen Schriftzeugnissen
Das Verbum ἐπιφαίνω / epiphainō ist seit der klassischen Zeit in aktivischer Verwendung mit „zeigen“ und in reflexiver Verwendung mit „sich zeigen / erscheinen“ zu übersetzen (Liddell / Scott, 1940, 669). Das Substantiv epiphaneia begegnet seit den Vorsokratikern ganz allgemein in der Bedeutung von „Gestalt / äußere Erscheinung / sichtbare Oberfläche eines Körpers“. Ebenso bezeichnet der Begriff auch die „Erscheinung des Tages“, d.h. den Tagesanbruch (Polybius, Hist III 94,3). Als terminus technicus wird epiphaneia vor allem in drei Zusammenhängen verwendet: 1. in der Medizin zur Beschreibung des äußeren Erscheinungsbildes eines Menschen (die Oberfläche der Haut / des Körpers; vgl. Diod Sic III 29; Polybius Hist XXV 3,6); 2. in der Geometrie als Bezeichnung von Flächen im Gegensatz zu Punkt (sēmeion), Linie (grammē) und Körper (sōma) (Demokrit, fr. 155) sowie 3. im militärischen Kontext zur Benennung der „feindlichen Linien“ bzw. des plötzlichen und unerwarteten Auftauchen des Feindes zur Schlacht (Polybius Hist I 54,2; Aen Tact 31,8). Es handelt sich bei diesen Verwendungsweisen also um einen gänzlich nichtreligiösen Gebrauch von epiphaneia / epiphainō.
Daneben aber werden
epiphaneia / epiphainō auch in religiösen Kontexten verwendet. Vor allem aus → hellenistischer
Auf den Zusammenhang zwischen der Erscheinung einer Gottheit und ihrem Rettungshandeln gegenüber ihren Verehrern, einem Heiligtum oder einer Stadt hat Dieter Lührmann insitiert - gegen Elpidius Pax. Während jener in seiner Untersuchung zur epiphaneia (Pax, 1955) vor allem begriffsgeschichtlich arbeitet und dabei die Verwendung von epiphaneia / epiphainō im Neuen Testament in eschatologischen Kontexten als etwas grundlegend Neues darstellt, plädiert Lührmann für eine formgeschichtlich orientierte Betrachtungsweise, die den genuinen Zusammenhang von Gotteserscheinung und Rettungshandeln in den Blick nimmt (vgl. zur Diskussion mit Pax: Lührmann, 1971, 185-199; vgl. auch Jeremias, 1965, 164).
Als ein frühhellenistisches Schriftzeugnis sei hier beispielhaft eine Inschrift von der Insel Kos aus dem Jahr 278 v. Chr. genannt (SIG 398): In ihr geht es um einen Feldzug der Gallier gegen die Griechen im Allgemeinen und gegen das Heiligtum in Delphi im Besonderen. Kein Geringerer als der Gott → Apollon
Aus der Literatur sind als Textbeispiele → Plutarch
Das Adjektiv
epiphanōs findet sich seit Pindar, Pyth 7,6 und Herodot III 27,1 in der Bedeutung von „sichtbar, hervorleuchtend, prächtig“ (je nach Textzusammenhang kann es auch mit „manifest, evident, angesehen, hervorragend, berühmt oder ausgezeichnet“ übersetzt werden; vgl. Liddell / Scott, 1940, 670). In hellenistischer Zeit wird es in diesem Sinn dann auch Bestandteil in ptolemäischen Herrschernamen wie Ptolemäus V. Epiphanes oder Antiochus IV. Epiphanes. In diesen Beinamen wird eine Entwicklung sichtbar, die seit → Alexander dem Großen
2.2. Epiphaneia / epiphainō in Schriften des Frühjudentums
Als ein helfendes / rettendes Erscheinen Gottes begegnet
epiphaneia / epiphainō auch in den Schriften des frühen Judentums, vor allem in der LXX. Von solchen „hilfreiche[n] Machterweise[n] Gottes“ (Lührmann, 1971, 193) ist beispielsweise in 2Reg 7,23 LXX die Rede: Gott erscheint - worin sich auch seine Größe und Herrlichkeit begründet -, um die „Völker und ihre Götter“ zu vertreiben, damit → Israel
Auch in → 2. / 3. Makkabäer
Fazit: Sowohl in griechischen wie auch in jüdischen Texten gibt es Beispiele dafür, dass mit den Worten epiphaneia / epiphainō in religiösen Kontexten an ein helfendes oder gar rettendes Erscheinen einer Gottheit / Gottes gedacht ist. Nicht auf dem Sichtbarwerden Gottes als solchem liegt der Fokus. Vielmehr wird der Grund der Epiphanie ins Blickfeld gerückt: Die göttliche Hilfe / Rettung, zu der die Gottheit / Gott in Erscheinung tritt (Lührmann, 1971, 195-196.).
2.3. Epiphaneia / epiphainō im Neuen Testament
Obgleich es im Neuen Testament zahlreiche Gottes- und vor allem Christuserscheinungen gibt, überrascht doch der Blick in die Konkordanz. Die Belege für epiphaneia / epiphainō / epiphanēs sind aufs Ganze gesehen äußerst spärlich. Lediglich elf Belegstellen aus Lukas / Apostelgeschichte, aus dem 2. Thessalonicherbrief und vor allem aus den Pastoralbriefen sind aufzuweisen.
Außer
Apg 27,20
3. Phänomenologie
Eine das ganze Neue Testament in den Blick nehmende Übersicht über Offenbarungsweisen von Gott, Christus oder Engeln als Gottesboten hat Marco Frenschkowski in seiner groß angelegten Dissertation zu „Offenbarung und Epiphanie“ erstellt, auf die für eine umfassendere Beschäftigung mit dem Phänomen „Epiphanie“ hier nur verwiesen werden kann (Frenschkowski, 1995, 350-403).
Im Folgenden soll die Bandbreite der Offenbarungsmodi sowie der dafür verwendeten Termini an einigen ausgewählten Beispielen vorgestellt werden. In der Regel handelt es sich in den neutestamentlichen Texten meist um Angelo- bzw. Christophanien.
Für die → kanonischen Evangelien
→ Lukas
Aus der LXX übernimmt Lukas in
Apg 2,17
Eine Kombination aus → Vision
Für das → Johannesevangelium
Der Apostel Paulus berichtet in seinen Briefen rückblickend von mehreren ihm widerfahrenen Epiphanien bzw. Christophanien, die sich seinen Angaben nach als Visionen ereignet haben müssen (1Kor 9,1
Die → Deuteropaulinen
Das letzte Buch des Neuen Testaments trägt von seinem ersten Vers her als Ganzes die Überschrift
apokalypsis (Apk 1,1
Als Fazit für das Neue Testament ist festzuhalten: Das Neue Testament weist lediglich elf Belege für epiphaneia / epiphainō / epiphanēs auf. Sie beziehen sich zum größten Teil auf die Erscheinung Christi bei seiner Parusie. Bemerkenswert ist, dass – wie auch in einigen pagan-griechischen und frühjüdischen Texten gezeigt werden konnte – mit der Parusie ein Rettungshandeln aus den Bedrängnissen und Anfechtungen der gegenwärtigen Welt erwartet wird.
Es gibt im Neuen Testament jedoch auch zahlreiche Epiphanien meist als Christo- oder Angelophanien – die nicht mit den Begriffen epiphaneia / epiphainō / epiphanēs ausgedrückt werden. Die einzelnen Schriften des Neuen Testaments in ihrer Vielgestaltigkeit kennen ein reichhaltiges Vokabular, mit denen sie Erscheinungen Gottes bzw. Christi sowie andere göttlich motivierte Erscheinungen (z.B. von Engeln) zur Sprache bringen.
Durchweg ist festzustellen, dass das Neue Testament ganz im Gegensatz zum Alten Testament in der Darstellung von Epiphanien und ihren Begleiterscheinungen äußerst zurückhaltend ist. Diese Beobachtung lässt Frenschkowski zu dem Schluss kommen, dass der „Modus der Erscheinungen [zwar] […] religiöses Erbgut [ist], […] [aber] […] an keiner Stelle im Mittelpunkt der theologischen Betrachtung [steht]“ (Frenschkowski, 1995, 406). Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen bei den neutestamentlichen Epiphanieschilderungen vielmehr die durch sie übermittelten Worte und Handlungen.
Literaturverzeichnis
- Frenschkowski, M., 1995/1997, Offenbarung und Epiphanie, 2 Bde., WUNT II/79.80, Tübingen
- Hauck, F. / Schwinge, G., 112010, Theologisches Fach- und Fremdwörterbuch, Göttingen
- Hölbl, G., 1994, Geschichte des Ptolemäerreiches. Politik, Ideologie und religiöse Kultur von Alexander dem Großen bis zur römischen Eroberung, Darmstadt
- Jeremias, J., 1965, Theophanie. Die Geschichte einer alttestamentlichen Gattung, WMANT 10, Neukirchen-Vluyn
- Liddell H. G. /Scott, R., 91940 [ND 1996], A greek-english Lexicon, Oxford
- Lührmann, D., 1971, Epiphaneia. Zur Bedeutungsgeschichte eines griechischen Wortes, in: Jeremias, G. / Kuhn, H.-W. / Stegemann, H. (Hg.), Tradition und Glaube. Das frühe Christentum in seiner Umwelt, FS K. G. Kuhn, Göttingen 1971, 185-199
- Lührmann, D., 1999, Art. Epiphanie, IV. Neues Testament, in: 4RGG 2, 1372
- Müller, P.-G., 21992, Art. Epiphaneia, EWNT 2, 110-112
- Paton, W. R. / Hicks, E. L. (Hg.), 1891, Nachdr. Hildesheim 1990, The Inscriptions of Cos, Oxford
- Pax, E., 1955, Epiphaneia. Ein religionsgeschichtlicher Beitrag zur biblischen Theologie, MThS 1/10, München
- Pax, E., 1962, Art. Epiphanie, C I. Neues Testament, in: RAC 5, 867-875
- Rostovtzeff, M., 1920, Epiphaneiai, in: Klio. Beiträge zur Alten Geschichte 16, 203-206
- Xagorari-Gleißner, M., 2008, Meter Theon. Die Göttermutter bei den Griechen. Peleus. Studien zur Archäologie und Geschichte Griechenlands und Zyperns 40, Ruhpolding
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