Johannes der Täufer
(erstellt: Oktober 2013)
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1. Bedeutung
Am Anfang des Evangeliums von Jesus Christus steht der Täufer Johannes. Er repräsentiert die Hoffnungsgeschichte Israels und tritt als Mahner auf, der das →
endzeitliche
Das Zeugnis des →
Flavius Josephus
Theologisches Gewicht hat die Rolle, die der Täufer Johannes als Lehrer Jesu spielt. Indem sich Jesus der Johannestaufe unterzieht, erkennt er offensichtlich die Botschaft des Täufers an. Als Schüler befindet sich Jesus zunächst in einer untergeordneten Position, die er allein durch einen Akt der Emanzipation verlassen könnte. Hier setzt die Interpretation der Evangelisten an, die den Täufer als Vorläufer stilisieren und dadurch das vorgegebene Verhältnis umkehren. Aus dieser Verhältnisbestimmung speisen sich alle weiteren Deutungen und Profilierungen des Täufers Johannes in der christlichen Theologie.
2. Quellen
Die wichtigste Quelle für die Figur des Täufers stellen die kanonischen Evangelien dar. Bei den →
Synoptikern
Geburtsgeschichte - nur bei Lukas: Lk 1,5-25
Hinrichtung: Mk 6,17-29
weitere Logien:
- Fastenfrage: Mk 2,18-20
/ Mt 9,14-15 / Lk 5,33-35 - Täuferanfrage: Lk 7,18-23
/ Mt 11,2-6 - Jesu Zeugnis über den Täufer: Lk 7,24-30
/ Mt 11,7-11 - Pharisäer und Gesetzeslehrer verachten die Johannestaufe: Lk 7,29-30
- Gleichnis von den maulenden Kindern: Lk 7,31-35
/ Mt 11,16-19 - Gebetsbelehrung nach dem Vorbild des Johannes: Lk 11,1
(vgl. auch Lk 5,33 ) - “Stürmerspruch”: Lk 16,16
/ Mt 11,11-12 - Vollmachtsfrage: Mk 11,27-33
/ Mt 21,23-27 / Lk 20,1-8
Der Evangelist Johannes verschweigt (wie auch schon Lukas) das gewaltsame Ende des Täufers, baut dafür aber das Zeugnis des Täufers vom “Lamm Gottes” am Anfang seines Evangeliums erzählerisch aus.
Anfangsblock:
- Selbstzeugnis: Joh 1,19-28
- ich bin nicht der Christus - Zeugnis über das Lamm: Joh 1,29-34
- Rückblick auf die Taufe Jesu - Berufung der ersten Jünger: Joh 1,35-37
- Einweisung in die Nachfolge Jesu
Logien:
- Johannes tauft in Änon bei Salim: Joh 3,22-24
- Streit um die Reinigung: Joh 3,25-30
- Jesus und Johannes: Joh 4,1-2
/ 10,40-41 - Johannes als Zeuge der Wahrheit: Joh 5,33-36
Die Apostelgeschichte erwähnt den Täufer sporadisch in drei Predigten sowie in zwei Episoden, die der Mission in Ephesus zugeordnet sind.
- Erwähnungen: Apg 1,22
(Petrus vor der Nachwahl); Apg 10,37 (Petrus bei Kornelius); Apg 13,23-25 (Paulus im pisidischen Antiochien) - Apollos und die Johannestaufe: Apg 18,24-28
- “Johannesjünger” in Ephesus: Apg 19,1-7
Bedeutung hat vor allem das Zeugnis des Josephus, das im Kontext der Auseinandersetzungen zwischen →
Herodes Antipas
- Josephus, Ant XVIII 116-119 / 5,2
Eigenwillig erscheinen die Zusätze in der kirchenslavischen Übersetzung von Josephus’ Bellum (Berendts, Leeming / Leeming), die unabhängig von der Notiz in Ant XVIII das Bild des Täufers im Sinne der ostkirchlichen Hagiographie noch einmal neu entwerfen.
- Josephus, slavBell VII 2 (Berendts, 6-7): Johannes als “Wilder Mann” im Konflikt mit Archelaos, Sadduzäern und Gesetzeslehrern
- Josephus, slavBell IX 1 (Berendts, 7-8): Johannes als Traumdeuter, Kritiker des Herodes Antipas und engelsgleicher Asket
Auch in den christlichen →
Apokryphen
- Christliche Apokryphen (alle Texte nach Markschies / Schröter I/1.2): Nikodemusevangelium 18,2; 19,1; Brief des Herodes Antipas an Pilatus; Geschichte von Josef dem Zimmermann 8,1; Thomasevangelium 46; Ebionäerevangelium 2-4; Nazoräerevangelium 8; Fragen des Bartholomäus 45; Protevangelium Jakobi 22-24; Auszug aus dem Leben Johannes des Täufers
- Mittelalterliche Legende: Legenda aurea des Jakobus de Voragine, Von der Geburt Sanct Johannis des Täufers, platziert an seinem Gedenktag (24. Juni)
3. Biographische Bausteine
Eine Biographie lässt sich aufgrund der Quellenlage nur in groben Umrissen skizzieren. Immerhin zeichnet sich darin bereits das Bild einer markanten, ihre Zeitgenossen stark beeindruckenden Persönlichkeit ab.
3.1. Herkunft
Die Geburtsgeschichten bei Lukas deuten eine Herkunft des Johannes aus priesterlichem Geschlecht an: Sein Vater Zacharias ist Priester aus der Ordnung Abija, seine Mutter Elisabeth entstammt dem Geschlecht Aarons; beide sind fromm und führen ein untadeliges Leben gemäß der →
Tora
Der Name “Ἰωάννης/ Johannes” geht auf das hebräische “יוחנן / Jochanan” zurück und bedeutet so viel wie “JHWH hat sich erbarmt” (
Lk 1,13
Mehr lässt sich den Geburtsgeschichten an historisch verwertbaren Informationen nicht abverlangen. Sie folgen einem eingeführten, festen Erzählschema, das die Geburt bedeutender Kinder von hochbetagten Eltern zum Inhalt hat (
Gen 17,15-22
Wenn es von dem Kind schließlich noch heißt, dass “die Hand des Herrn mit ihm war” (
Lk 1,66
3.2. Erscheinungsbild
3.3. Wirkungsstätte
Der Ort des Täufers ist die Wüste (
Lk 1,80
Der Evangelist Johannes bestimmt die Taufstelle noch näher, jedoch auf zweifache, unterschiedliche Weise:
Bethanien jenseits des Jordans / Bethabara / Betharaba: Joh 1,28
- Den Namen “Bethanien” korrigiert eine größere Zahl von Hss. zu “Bethabara” bzw. “Betharaba”; so auch Eusebius, Onomastikon 58,18-20.
- Bethanien bedeutet “Haus der Quelle”, Bethabara bedeutet “Haus der Fähre”.
- Davon zu unterscheiden ist ein anderes wohlbekanntes Bethanien am östlichen Hang des Ölbergs (Lk 10
; Joh 11 ; Mk 14 / Mt 26 ). - Bethabara ist identisch mit der heute gezeigten Taufstelle in Der mar Juchannu. Hier hatte zuerst Kaiser Anastasius (491-518) eine Kirche errichten lassen.
Änon bei Salim: Joh 3,23
- Die Lokalisierung bei Änon, das etwas weiter nördlich liegt, wird damit begründet, “weil dort viel Wasser war”.
- Der Name “Ainon” geht vermutlich zurück auf das hebr. “עין / Ajin - Quelle”.
- Eusebius (4. Jh.) lokalisiert Änon südlich von Skythopolis in den Ruinen von Umm el-‛amdān. Die Pilgerin Egeria (4. Jh.) beschreibt den Ort als einen Obstgarten mit einer Quelle (Peregrinatio 15,1-6). Eusebius (Onomastikon 152) identifiziert Salim mit dem Ort Salumias bzw. Sedima.
Beide Orte befinden sich am Unterlauf des Jordan, auf dessen östlicher Seite und damit im Herrschaftsbereich des Herodes Antipas. So werden sie auch nebeneinander auf der Mosaikkarte von Madeba (6. Jh.) verzeichnet. Vermutlich lagen dem Evangelisten demnach verschiedene Überlieferungen vor, die er nebeneinander bestehen ließ. Für die Erzählung selbst stellt die Vorstellung verschiedener Taufstellen kein logisches Hindernis dar.
In der christlichen Überlieferung sind noch drei weitere Orte mit der Täufergeschichte verbunden (Murphy-O’Connor).
-
En Kerem, Ortsteil am Westrand von Jerusalem: Nach Lk 1,39-40
wohnen Zacharias und Elisabeth in einer Stadt im Gebirge Juda. Der Pilger Theodosius (518) lokalisiert erstmals diesen Ort 5 Meilen von Jerusalem entfernt. Vom 8. Jh. an wird dafür dann auch der Name En Kerem genannt. Heute erinnern hier zwei Kirchen an den Täufer und eine an die Begegnung der Mütter; die “Marienquelle” fügt sich dem Ensemble der Pilgerstätte ein. -
Suba Höhle, 4km nordwestlich von En Kerem: 1999 entdeckte Shimon Gibson eine Höhle im Nachal Tzova, die er aufgrund einer langen Indizienkette als Höhle Johannes des Täufers identifizierte (Gibson). Dies sei der Ort in der Wüste gewesen, an dem sich Johannes nach Lk 1,80
bis zu seinem öffentlichen Auftreten am Jordan aufgehalten habe. Hinter den Kombinationen, die zu dieser These führen, stehen indessen viele Fragezeichen. Kein einziges Indiz lässt sich zweifelsfrei belegen. - Sebaste, In Samaria / Sebaste markiert seit der Kreuzfahrerzeit eine Kirche das angebliche Grab Johannes des Täufers. Das Haupt des Täufers wird in der Omayaden-Mosche in Damaskus verehrt.
Die Region, in der die Täufergeschichte platziert ist, lässt sich relativ eindeutig bestimmen. Alle weiteren Konkretionen verdanken sich den Bedürfnissen christlicher Frömmigkeit.
3.4. Tätigkeit
Die Tätigkeit des Johannes kommt bereits in seinem auffälligen Beinamen zum Ausdruck. “βαπτιστής / baptistēs - Täufer” leitet sich ab von “βαπτιζω, baptizō - untertauchen”. Johannes vollzieht demnach ein Waschungsritual, bei dem der Täufling vollständig in das fließende Wasser des Jordan eingetaucht wird. Dieses Ritual erweist sich als eine Art Identitätsmerkmal des “Täufers”. Auch bei Josephus wird seine Tauftätigkeit betont referiert (wenngleich auf den Aspekt der Körperpflege reduziert). Im Unterschied zu den in der Tora vorgeschriebenen Selbstwaschungen scheint das Taufritual des Johannes, das ein Täufer an einem Täufling ausführt, etwas Neues, Innovatives zu sein.
Unlösbar mit dem “Untertauchen” verbunden ist eine Predigt- bzw. Verkündigungstätigkeit. Denn erst durch die vorausgehende Gerichtsdrohung wird der Sinn der Taufhandlung erkennbar. Johannes vollzieht eine “Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden” (
Mk 1,4
In →
Gerichtspredigt
3.5. Hinrichtung
Das Leben des Täufers endet gewaltsam. Darüber sind sich Markus und Matthäus (
Mk 6,17-29
Den großen Rahmen stellt der Konflikt zwischen Herodes Antipas und dem Nabatäerkönig Aretas IV. dar (Josephus, Ant XVIII 109-115 / 5,1). Antipas, der mit einer Tochter des Aretas verheiratet ist, lernt in Rom Herodias, die Frau seines Stiefbruders Herodes (
Mk 6,17
Auch für die synoptische Erzählung wird die Ehegeschichte des Antipas zum Auslöser der Ereignisse. Hier geht die Initiative jedoch von dem Täufer selbst aus, der Antipas seiner ungesetzlichen Ehe wegen konfrontiert. Johannes, der sich damit auch die Feindschaft der Herodias zuzieht, wird um dieser seiner Kritik willen inhaftiert. Bei Josephus hingegen ist von einer direkten Kritik des Täufers an Antipas keine Rede. Der Tetrarch lässt ihn verhaften und schließlich hinrichten, weil er ganz allgemein seinen Einfluss im Volk und damit politische Unruhen fürchtet. Das Volk aber betrachtet die Niederlage gegen Aretas daraufhin als göttliche Strafe für den Mord an Johannes.
Markus und Matthäus gestalten das Ende des Täufers dramatisch aus. Der Hass der Herodias wird durch eine Mischung aus Furcht und Zuneigung, die Antipas gegenüber Johannes empfindet, zunächst noch im Zaum gehalten (
Mk 6,19-20
Der “Tanz der Salome” und das abgeschlagene Haupt des Täufers sind in der christlichen Ikonographie zu einem der beliebtesten Bildmotive geworden. Die Omayaden-Moschee in Damaskus beansprucht bis heute, das Haupt des Täufers zu beherbergen und weist dafür einen Schrein im östlichen Teil der Gebetshalle auf.
4. Typos
Das auffällige Erscheinungsbild des Täufers, seine Lebensweise wie auch seine Predigt und Tauftätigkeit zeichnen ihn ganz bewusst als einen bestimmten Typos - der allerdings eine Reihe verschiedener Facetten aufweist.
4.1. Prophet
In erster Linie erscheint der Täufer Johannes als ein →
Prophet
Die erste erzählerische Einführung (
Mk 1,1-3
In dem Zitat aus Maleachi wird bereits ein Bezug zu dem Propheten Elia hergestellt. Er ist nach
Mal 3,20
Immer wieder wird Johannes das Epitheton eines Propheten ganz ausdrücklich beigelegt. In den beiden Meinungsumfragen, die auf die Person Jesu ausgerichtet sind (1.
Mk 6,14-16
Unter umgekehrten Vorzeichen spiegelt sich diese Sicht auch noch einmal bei dem Evangelisten Johannes wider, wo der Täufer den Prophetenanspruch ausdrücklich zurückweist: Er ist nicht der →
Messias
In seiner Botschaft, wie sie die Synoptiker referieren, entspricht der Täufer dieser Erwartung freilich voll und ganz. Was er zu sagen hat, steht formal und inhaltlich in der Tradition prophetischer Drohrede. Seine Themen sind hauptsächlich Gericht und → Umkehr
Schließlich fügt sich auch das Ende des Täufers in jene Traditionslinie ein, die das gewaltsame Ende der Propheten in Israel beschreibt (Steck). So wie er sterben diejenigen, die mit dem unpopulären Umkehrruf auftreten und sich dabei mit den Herrschenden anlegen.
4.2. Nasiräer
Am Erscheinungsbild des Täufers fallen zwei Züge auf, die ihn in die Nähe eines Nasiräers rücken: die Enthaltung von Wein und starken Getränken sowie die Begabung mit heiligem Geist von Geburt an (
Lk 1,15
Die gesetzlichen Bestimmungen (
Num 6,1-21
Es könnte sein, dass auch der Täufer als ein solcher lebenslanger Nasiräer gezeichnet werden soll. Sein Leben in der Wüste, das in symbolischer Weise an die prophetischen Verheißungen eines neuen Exodus anknüpft, sowie seine radikale Enthaltung von berauschenden Getränken, sprechen dafür. Das Moment einer Weihe klingt in jener Bestimmung zum Wegbereiter für das Kommen Gottes in Geburtsankündigung und Benediktus an. Vor allem aber ist es das Charisma von Mutterleibe an, das die besondere Gottesnähe des Täufers signalisiert. Somit erscheint der Täufer als Mensch mit einem außergewöhnlichen religiösen Profil, das der Kennzeichnung “mehr als ein Prophet” (
Lk 7,26
4.3. Asket
Seit dem Aufkommen der asketischen Frömmigkeit im 3. Jh. hat man auch den Täufer gern als einen Asketen vereinnahmt. Die Wüste als Kontrast zum Kulturland, die demonstrativ ärmliche Kleidung, die Reduktion der Nahrung, die radikale Bindung an Gott - das alles musste den Wüstenvätern der Frühzeit als Ausdruck von Geistesverwandtschaft erscheinen (Meiser). Dass man auch in dem Gottesmann Elia ein Vorbild sah, kam verstärkend hinzu.
Von einer Enthaltsamkeit, die über die Vorschriften des Nasiräates hinausginge, sagen die Texte freilich nichts. In der Wüste lebt der Täufer nur deshalb, weil er in zeichenhafter Weise auf das nahe Kommen Gottes verweisen will. Kleidung und Nahrung entsprechen lediglich dem Brauch der Wüstenbewohner. Er empfindet auch keinen Überdruss an der Welt. Vielmehr ruft er zur Umkehr und zu einem gerechten Leben in der Welt auf. Immerhin scheint es bei Johannes und seinen Schülern eine besondere Fastenpraxis zu geben (
Mk 2,18
Dennoch hat die spätere Rezeptionsgeschichte den asketischen Typos immer weiter entwickelt, namentlich im Osten. In der Ikonographie wird Johannes Prodromos, der als “Bote / Angelos” Flügel trägt, vorzugsweise halbnackt und verwildert, mit langem Haar und zerzaustem Bart dargestellt (Sdrakas). So schildern ihn auch die Zusätze im slavischen Bellum des Josephus: Wie ein wildes Tier sei er aus dem Wald gekommen, mit Rinderfellen bekleidet und behaart. Hier haben die entsprechenden Textsignale mittlerweile ein Eigenleben gewonnen, das sich vor allem einem neuen kulturellen Umfeld verdankt.
4.4. Zeuge
Der Evangelist Johannes lässt den Täufer selbst alle messianischen und prophetischen Erwartungen gegenüber seiner Person strikt zurückweisen (
Joh 1,21
Dieser Typos des Zeugen bedeutet eine bewusste Zurücknahme, die dem Täufer auch ganz unmissverständlich in den Mund gelegt wird: “Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen (
Joh 3,30
Josephus zeichnet den Täufer pointiert als einen Lehrer. Seine Predigt zielt auf ein “gerechtes Leben”; seine Hörerschaft will er dazu anhalten, “nach Vollkommenheit zu streben”; er ermahnt dazu, “Gerechtigkeit gegeneinander und Frömmigkeit gegenüber Gott zu üben”; die Taufe aber verliert ihren sühnenden Charakter, weil die Seele “dann ja durch ein gerechtes Leben schon vorher entsündigt” sei (Josephus, Ant XVIII 177 / 5,2). Spürbar ist Josephus bestrebt, seinem römischen Publikum die schroffe Gestalt des Wüstenpropheten als die eines Weisheitslehrers zu präsentieren, der es gut mit den wandernden Sophisten der hellenistisch-römischen Welt aufnehmen könnte.
Interessanterweise lässt auch Lukas eine ähnliche Tendenz erkennen - wenngleich aus ganz anderen Gründen. Über Markus und Matthäus hinaus fügt er jenem Block vom ersten Auftreten des Täufers (
Lk 3,1-22
Am deutlichsten wird Lukas dann zum Schluss dieser groß angelegten Täuferrede: “Mit diesen und vielen anderen Worten mahnend frohbotschaftete (εὐηγγελίζετο, euēngelízeto) Johannes dem Volk (Lk 3,18
5. Botschaft
Die Botschaft des Täufers ist die erste inhaltlich referierte Verkündigung, die in den Evangelien mitgeteilt wird. Sie fällt freilich zwischen den Synoptikern und Johannes unterschiedlich aus.
Bei den Synoptikern stellt sich die Täuferrede als ein Text dar, der in mehreren Schichten gewachsen ist und der bei Lukas als eine “Schlüsselrede” schließlich den größten Umfang erreicht.
Der älteste Teil liegt in der Messiasankündigung vor. Johannes weist von sich weg auf den Kommenden und Stärkeren, der statt mit Wasser mit Feuer und Geist taufen werde. Die Umkehrpredigt stellt das Gericht in einem drastischen Bild vor Augen: Für die geforderte Umkehr, vor allem aber für “Früchte, würdig der Umkehr”, bleibt kaum noch Zeit. Schon nimmt die Axt an der aufgegrabenen Wurzel Maß, um auszuholen und zuzuschlagen. Die Chance zur Umkehr reduziert sich auf diesen kurzen, atemlosen Moment. Dem korrespondiert die abschließende Gerichtsperspektive: Der Kommende wird Spreu und Weizen voneinander trennen und die Spreu verbrennen. Allein die Standespredigt bei Lukas löst diese Spannung wieder auf und konkretisiert, wie “Früchte, würdig der Umkehr” aussehen sollen. Als Substruktur aber bleibt die bedrängende Androhung des unmittelbar bevorstehenden Gerichts bestehen.
Auffällig ist, dass Matthäus den Täufer noch vor Beginn seiner Rede mit den programmatischen Worten zitiert: “Kehrt um! Denn nahegekommen ist die Königsherrschaft der Himmel (
Mt 3,2
Der Unterschied zwischen Johannes und Jesus liegt jedoch in der Perspektive und betrifft vor allem ihre Rede vom Gericht.
Indem sich Jesus der Johannestaufe unterzieht, stimmt er der Botschaft des Johannes grundsätzlich zu. Allerdings emanzipiert er sich schon bald von seinem Lehrer und setzt eigene Akzente.
6. Taufe Jesu
Die kurze Episode von der Taufe Jesu (
Mk 1,9-11
Die Initiative geht von Jesus aus. Wie die Scharen auch, kommt er zu Johannes an den Jordan und lässt sich taufen. An dieser Stelle empfindet Matthäus bereits das theologische Problem und schaltet einen kleinen Dialog ein (
Mt 3,14-15
Die Deutung hat eine dreifache Dimension: Der Himmel öffnet sich, der Geist erscheint in Gestalt einer Taube, und die Stimme Gottes erklingt, um den Täufling nun als “Sohn” anzusprechen (Mk / Lk) bzw. zu proklamieren (Mt). Der geöffnete Himmel signalisiert: Gott kommt seinem Volk nahe. Die Geistverleihung scheint kein genereller Zug der Johannestaufe, sondern nur ein besonderes Geschehen an diesem einen Täufling zu sein. Ihre Sichtbarkeit (“wie” eine Taube) dient offensichtlich der Kennzeichnung Jesu, um ihn aus der Menge der anderen Täuflinge herauszuheben. Die Gottesstimme schließlich, in der
Ps 2,7
Mit diesem Taufakt wird die Beziehung zwischen Jesus und Johannes im Sinne eines Lehrer-Schüler-Verhältnisses etabliert. Am stärksten steuert Matthäus durch den eingefügten Dialog einer solchen Konstellation entgegen. Ansonsten aber ist damit die Aufgabe gestellt, diese Umkehrung der Rangordnung geradezurücken und neu zu begründen.
Ganz anders thematisiert der Evangelist Johannes die Taufe Jesu. Statt eines Berichtes lässt er den Täufer nur darauf zurückblicken (
Joh 1,32-34
7. Schülerkreis
Offensichtlich kommt es auch bei Johannes zur Sammlung eines Schülerkreises (Backhaus), obwohl seine hochgespannte Gerichtsnaherwartung eigentlich keine längerfristigen Planungen gestattet. Das lässt sich an den folgenden Aussagen belegen:
- Fastenfrage: Mk 2,18-20
/ Mt 9,14-15 / Lk 5,33-35 - die Schüler des Johannes fasten - Täuferanfrage: Lk 7,18-23
/ Mt 11,2-6 - Johannes schickt seine Schüler zu Jesus - Gebetsbelehrung: Lk 11,1
- Johannes lehrt seine Schüler beten - Tod des Johannes: Mk 6,29
/ Mt 14,12 - seine Schüler bergen und bestatten den Leichnam - Nachfolgeerzählung: Joh 1,35-37
- zwei Schüler des Johannes wechseln zu Jesus über - Theologische Konflikte: Joh 3,25
- Streit zwischen den Schülern des Johannes und einem Juden über die Reinigung - Apollos in Ephesus: Apg 18,24-28
- der Christ Apollos kennt nur die Johannestaufe - ist er deshalb auch ein Johannesschüler? - “Johannesschüler” in Ephesus: Apg 19,1-7
- Zwölf Jünger kennen nur die Johannestaufe und werden von Paulus auf den Namen des Kyrios Jesus getauft
Aus diesen Belegen tritt das Bild eines Anhängerkreises hervor, der am ehesten nach Art einer Prophetenschule zu verstehen ist (Backhaus). Ein ekklesiologisches Selbstverständnis lässt sich nicht erkennen. Die Schüler schließen sich der Botschaft ihres Lehrers an und entwickeln eine eigenständige Gebets- und Fastenpraxis. Der Kreis überdauert offensichtlich auch den Tod seines Lehrers, löst sich aber schon bald danach auf. In welcher Beziehung Apollos oder die “Johannesjünger” in Ephesus zu dem Schülerkreis des Täufers stehen, bleibt weitgehend offen.
Immer wieder ist vermutet worden, dass auch Jesus ein Schüler im Täuferkreis gewesen sei. Die theologische und charismatische Eigenständigkeit Jesu spricht jedoch eher gegen eine allzu enge Verbindung. Allein die frühe Christenheit steht in Kontinuität zur Täuferbewegung - durch personale Beziehungen, vor allem aber durch die Übernahme und Aktualisierung der Taufpraxis.
8. Beziehung zu Jesus
Jede Auseinandersetzung mit der Täuferfigur steht vor dem Grundproblem, seine Beziehung zu Jesus deuten zu müssen. Dafür lassen sich im Neuen Testament etwa vier verschiedene Modelle erkennen:
Vorläufermodell: Das dominierende Modell geht davon aus, dass der Täufer als Vorläufer fungiert (Walter). Seine Aufgabe bleibt darauf beschränkt, das Kommen des Messias vorzubereiten. Dieses Modell ist bereits durch die Figur des Elia in Maleachi 3 vorgegeben. Der “Anfang des Evangeliums” (Mk 1,1
Stufenmodell: Eng damit verbunden ist ein Deutungsmodell, das den Täufer nur den ersten, Jesus dann aber den zweiten Schritt in der Verkündigung der nahen Gottesherrschaft vollziehen lässt. Schon die lukanischen Geburtsgeschichten, in denen die beiden besonderen Kinder Johannes und Jesus eng miteinander verbunden und Teil eines gemeinsamen Geschehens sind, lassen das Kind Jesus immer einen Schritt weiter gehen: Seine Geburtsankündigung bleibt von kritischen Rückfragen frei, seine Empfängnis erfolgt aus dem heiligen Geist, seine Geburtsumstände erfolgen auf wundersame Weise. Dieser Zug setzt sich fort: Johannes tauft nur mit “Wasser”, der Stärkere nach ihm aber mit “heiligem Geist” (Mk 1,8
Rangordnungsmodell: Entgegen der Maxime, dass der Schüler nicht über dem Lehrer steht (Lk 6,40
Grenzwächtermodell: Da, wo die Evangelisten in geschichtlichen Zusammenhängen denken, erscheint Johannes als Figur einer Übergangszeit. Während mit Jesus die Zeitenwende schon vollzogen ist, die Heilszeit schon beginnt, der neue Äon schon anbricht, gehört der Täufer noch beiden Epochen an. Pointiert hat man ihn deshalb als einen “Grenzwächter der Äonen” bezeichnet (Bornkamm, 46). Die “Tage des Johannes” (Mt 11,12
Die Figur des Täufers Johannes ist so angelegt, dass sie der Figur →
Jesu von Nazareth
9. Deutung in den Evangelien
Die Evangelisten setzen in der Darstellung des Täufers jeweils eigene Akzente. Das liegt vor allem an dem Textbestand, den sie aufnehmen.
Ihren jeweiligen Textbestand profilieren die Evangelisten zudem nach ihren übergeordneten theologischen Interessen:
Logienquelle - der Täufer als schroffer Gerichtsprophet
Markus - der Täufer als Vorläufer des Messias
Matthäus - der Täufer als Schüler in Sachen Gerechtigkeit
Lukas - der Täufer als vorauseilender Nachfolger
Johannes - der Täufer als Zeuge des Lammes
Matthäus hat den Aspekt der Sündenvergebung bei der Kennzeichnung der Johannestaufe ausgelassen (
Mt 3,2
In dieser Palette an Täufer-Bildern macht sich bereits eine Deutungsoffenheit bemerkbar, die von der späteren kirchlichen Auslegungstradition dankbar aufgenommen und weiter entfaltet wird.
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Abbildungsverzeichnis
- Johannes der Täufer, Salzburg 15. Jh. Foto D. Wolf 2013
- Madaba-Karte 6. Jh., Taufstellen. Foto M. Disdero 2009
- Salome, Pierre Bonnaud (1865-1930). Wikimedia Commons, gemeinfrei.
- Machärus. Foto C. Böttrich 2013
- Johannes Prodromos, Sinai 14. Jh. Wikimedia Commons, gemeinfrei.
- Johannes Angelos, Moskau 1620.
- Johannes der Täufer, Matthias Grünewald (1512-1516). Lizenz: gemeinfrei
- Johannes der Täufer, Auguste Rodin 1878. Foto: Böttrich.
- Taufe Jesu, Zypern 16. Jh. Wikimedia Commons, gemeinfrei.
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