Ofir
(erstellt: Mai 2024)
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1. Etymologie
Der Name Ofir (אוׄפִיר ʼôfîr) ist im Hebräischen fast immer plene geschrieben. Auch wenn es sprachlich möglich wäre, ist eine Verbindung mit hebr. עָפָר ‘āfār „Staub“ eher unwahrscheinlich. Vielmehr scheint es eine Stadt- oder Landschaftsbezeichnung eines fremden Landes zu sein, die ins Hebräische übertragen wurde. Regeln für solche Sprachtransfers sind schwer zu erstellen, und bislang wurde keine wirklich überzeugende sprachliche Verbindung zu einer Stadt oder einer Region im Bereich Afrikas oder Saudiarabiens (zu dieser Eingrenzung s.u.) vorgeschlagen.
M. Görg (Görg 1981; 1996; vgl. Breyer 2019, 79-80) schlug durch Rückgriff auf das Ägyptische eine Namensdeutung als „Insel bzw. Distrikt des Hervorkommens“ vor. Problematisch ist an seinem Ansatz jedoch, dass dieser Name so nie als Orts- oder Landschaftsname im Ägyptischen belegt ist. Görg spricht folglich auch von einer theologischen Topographie. Diese Theologisierung setzt aber bei den hebräisch sprechenden Leser:innen der Bezeichnung intensivste Kenntnisse der ägyptischen und / oder koptischen Sprache voraus, was sicherlich so nicht zutraf. Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass ein realer ägyptischer oder sonstiger afrikanischer / saudiarabischer Name verkürzt und / oder verballhornt im Hebräischen wiedergegeben wurde (vgl. als Beispiele für derartige Verkürzungen z.B. → Tiglat-Pileser III.
2. Belegstellen
Die nachfolgenden biblischen Belege für einen Personen- bzw. Orts- oder Landschaftsnamen Ofir bieten weitergehende Informationen zur Lokalisation und zur Bedeutung und werden daher ausführlicher besprochen.
2.1. Personenname
In der Darstellung der (antiken) Erdbevölkerung Gen 10
Vers in Gen 10 | Name | Vermutete Lage |
Joktan | Wohl mit dem Stamm Qaḥṭān zu identifizieren, dessen Ursprünge vermutlich in Yemen zu suchen sind | |
| Almodad | Nordöstliche Küste der arabischen Halbinsel? |
| Scheleph | Yemen |
| Hazarmawet | Wahrscheinlich zu identifizieren mit Ḥaḍramaut im Osten des heutigen Yemen |
| Jerach | Yemen |
Hadoram | Daurām im Wādi Daḥr, 16 km nordwestlich von Ṣan‘ā (zu voreisenzeitlichen Kulturen in diesem Raum s. Kallweit 1996), Koordinaten ca.: 15.412165 44.108328 N 15°24'43.8", E 44°06'30.0" | |
| Usal |
|
| Dikla | In der Umgebung von Ṣirwāḥ (Sawa; Koordinaten: 15.45, 45.016667 N 15°27'00.0", E 45°01'00.0" |
Obal | Yemen | |
| Abimael | Yemen? |
| Scheba | Saba |
Ofir |
| |
| Hawila | Haulan, zwei Stämme östlich und nordwestlich von Ṣan‘ā (Koordinaten ca.: 15.57 43.77 N 15°34'12.0", E 43°46'12.0" |
| Jobab |
|
Mescha | ? | |
| Sephar | ? |
Tab. 1: Namen in Gen 10,26-30 und ihre mögliche lokale Verankerung.
Legt man eine – sehr wahrscheinliche – Identität des Personennamens Ofir mit der Landschaft Ofir zugrunde, so wäre auf Grund von Gen 10
2.2. Orts- oder Landschaftsname
Die biblischen Texte bieten einige zwar nicht allzu konkrete, aber doch hilfreiche Informationen zur näheren lokalen Verortung von Ofir.
1Kön 9,28
1Kön 10,11
1Kön 10,22
1Kön 22,49
Hi 22,24
Einige weitere Texte (Jes 13,12
Zusätzlich muss hier noch Jer 10,9
Die biblischen Texte und das Ostrakon von Tell Qasīle lassen somit einige Rückschlüsse zu:
- 1.Gold aus Ofir war ein besonders hoch geschätztes Gold, das vermutlich als Nuggets gefunden wurde.
- 2.Angesichts der relativ häufigen Erwähnung von Gold aus Ofir im Alten Testament und dank der Erwähnung auf einem Ostrakon ist nicht daran zu zweifeln, dass dieses Gold tatsächlich nach Palästina gehandelt wurde.
- 3.Die Belegstellen, die Handelsaktivitäten mit Ofir aufzeigen, stammen vielleicht schon aus dem 10. Jh. v. Chr. (Salomo), auf jeden Fall aber aus der ersten Hälfte des 9. Jh.s (Joschafat). Der jüngste Beleg stammt aus dem 2. Jh. v. Chr. (→ Jesus Sirach
; vgl. auch die Belegstellen in den → Chronikbüchern ). Selbst wenn zu dieser späten Zeit kein Ofir-Gold mehr nach der südlichen Levante geliefert wurde, so war der Begriff doch noch bekannt und ein Synonym für besonders hochwertiges Gold. Ofir-Gold war demnach während des ganzen 1. Jt.s v. Chr. ein Wertbegriff in Israel / Juda. - 4.Die Schifffahrten des Salomo und des Joschafat legen es nahe, dass das Gold über Häfen am Roten Meer gehandelt wurde, alternativ auch über Häfen im Süden Saudi-Arabiens oder an der afrikanischen Küste. Selbst wenn man eine historische Verbindung des Schiffhandels mit den Königen Salomo und Joschafat bestreitet, wird es diese Handelsaktivitäten gegeben haben. Ihre pure Erfindung ist nicht wahrscheinlich.
- 5.Der Seehandel auf dem Roten Meer war hochgefährlich und daher ein unternehmerisches Risiko. Ab dem 9. Jh. v. Chr. hören wir nichts mehr von Ofir-Fahrten auf dem Roten Meer, was aber auch an einer bruchstückhaften Überlieferung liegen kann. Andererseits wurde Ofir-Gold im 8. Jh. v. Chr. offenbar über das Mittelmeer gehandelt, wie die Inschrift aus Tell Qasīle nahelegt. Da Ägypten am Mittelmeerhandel beteiligt war, wäre anzunehmen, dass das Ofir-Gold nach einer relativ kurzen und ungefährlichen Überquerung des Roten Meeres auf dem Landweg zum → Nil
gebracht wurde. Über diesen wurde es dann bis zum Delta und weiter auf dem Mittelmeer bis Tell Qasīle verschifft. - 6.Das Goldland Ofir muss nicht das alleinige Ziel der Expeditionen des 10. / 9. Jh.s v. Chr. auf dem Roten Meer gewesen sein. Vielmehr konnten entlang der beiden Küsten des Roten Meeres noch weitere Häfen – sofern welche existierten – angefahren werden, um dort Handel zu treiben und Nahrungsmittel sowie Wasser an Bord zu nehmen. Da der → Handel
noch nicht besonders entwickelt war zu diesen Zeiten, können nicht unbedingt ausgebaute Häfen erwartet werden. Vielmehr reichen einfache Anlegestellen, an denen man auf Händler aus dem Landesinneren warten konnte. - 7.Ofir mag das Hauptziel der Reise gewesen sein. Gebildete Kreise in der Levante dürften dessen Namen gekannt haben, aber sicherlich hatte niemand außer einigen wenigen Seeleuten eine konkrete Vorstellung von der Lage des Ortes. Der Name Ofir steht für ein fernes, weitgehend unbekanntes Land.
- 8.Allerdings wird man auch annehmen müssen, dass die Autoren von Gen 10
über Weihrauchhändler, die ihre Waren nach Jerusalem brachten, auf Informationen zu Stämmen und Regionen auf der arabischen Halbinsel zurückgreifen konnten. Dieses geographische Wissen scheint in Jerusalem dokumentiert worden zu sein – für den Fall, dass man es für irgendeinen Zweck mal wieder nutzen konnte.
3. Lokalisierung
Für eine mögliche Lokalisierung sollten mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:
- es muss Goldvorkommen geben, die im Idealfall auch schon in antiken Texten und nicht erst in modernen geologischen Studien belegt sind;
- es sollte Nachweise menschlicher Präsenz, im Idealfall sogar archäologische Nachweise von Goldschürfungen, in der Zeit des 10.-8. Jh.s v. Chr. geben;
- es sollte Ankerplätze für die Schiffe und einen Handelsplatz zum Eintausch der Waren geben.
3.1. Schifffahrt auf dem Roten Meer
Angesichts der schlechten archäologischen Erforschung der Gebiete im Bereich des Roten Meeres und seiner Ausläufer kann jedoch beim aktuellen Forschungsstand nicht erwartet werden, dass all diese Forderungen voll erfüllt sind. Insbesondere für den Raum Saudi-Arabiens gibt es nur unzureichende archäologische Erkenntnisse, aber auch der vorhellenistische Seehandel auf dem Roten Meer ist trotz erster Ansätze noch weitgehend unerforscht. Im Wesentlichen müssen sich daher Überlegungen zur Lokalisierung von Ofir auf das antike Wissen von Goldvorkommen beschränken.
Die Infrastruktur der Hafenanlagen entlang des Roten Meeres ist bisher kaum erforscht und teilweise wohl auch nicht existent. Zwar gab es auf ägyptischer Seite einige Hafenanlagen, aber erst in ptolemäischer Zeit (→ Ptolemäer
3.2. Antike Goldvorkommen in vorrömischer Überlieferung
Die wichtigsten heutigen Goldabbaugebiete (China, Australien, Südafrika, USA, Kanada, Russland) kommen für die Handelsbeziehungen in biblischer Zeit nicht infrage. Aus diesem Grund sind die antiken Quellen zu befragen, was sie über Goldvorkommen in der Antike zu berichten haben. Im Folgenden werden sämtliche in antiken Quellen genannten und archäologisch nachgewiesenen Goldvorkommen der Antike im relevanten Bereich aufgeführt.
Plinius nennt außer europäischen Herkunftsgebieten des Goldes, die hier zu vernachlässigen sind, den Ganges in Indien (Plinius, Hist. nat. XXXIII,66; Text gr. und lat. Autoren
Herodot nennt noch Äthiopien (Hist. III,114; Text gr. und lat. Autoren
Immer wieder wurde Ofir auch mit Punt gleichgesetzt (z.B. Eichmann 2009, 223) – ein gleichfalls entlegenes und schwer zu erreichendes Gebiet. Der Anknüpfungspunkt ist dabei, dass aus Punt ebenfalls Gold geholt wurde – neben vielen anderen Produkten wie → Weihrauch
Daneben gab es noch große Goldvorkommen im Süden Saudi-Arabiens (Strabo, Geogr. XVI,4,18; Text gr. und lat. Autoren
Die Farasān-Inseln sind bisher nur sehr dürftig archäologisch erforscht, wirklich verlässliche Daten gibt es bislang kaum. Immerhin erwähnen Archäologen Funde, die den Gesellschaften entsprechen, die auf dem Festland ab der Zeit um 1200 / 1000 v. Chr. belegt sind (Bailey et al. 2007, 150).
Auch wenn die archäologische Forschungslage und die textliche Überlieferung recht bruchstückhaft ist, ist eine Lokalisierung von Ofir auf der arabischen Seite des Roten Meeres aktuell die wahrscheinlichste Deutung. In diese Gegend wies ja auch der Beleg in Gen 10
3.3. Goldminen in Arabien in späterer Überlieferung
Aus vorrömischer Zeit liegen keine weiteren Quellen für die Lokalisierung der arabischen Goldvorkommen vor. Der aus San’a stammende Geograph al-Hamdānī (ca. 893 bis nach 951) beschreibt aber in seinem Werk „Book of the Two Ancient Jewels and Fluid Stones, the Yellow and the White“ die zu seiner Zeit bekannten Goldminen auf der arabischen Halbinsel (zitiert nach Dunlop 1957, 37-40). Neben den Gold- und Silberminen nennt er auch die Methoden der Edelmetallverarbeitung. Zwei Goldminen befinden sich im Hinterland der Farasān-Inseln:
- 1.„Al-Qufa’a im Gebiet von al-Juraiba von Haulan. Nahe von el-Khasuf. […] Es ist die beste von allen Minen.“ Al-Juraiba könnte das heutige Ǧoraiba sein (Koordinaten: 17.11067 42.56756 N 17°06'38.4", E 42°34'03.2"
). Haulan dürfte mit der biblischen Bezeichnung → Hawila identisch sein. Vermutlich gab es zwei separate Gebiete mit diesem Namen, eines im Nordwesten der arabischen Halbinsel mit Dedan als Zentrum, das andere in Südarabien (Müller 1992). Dieses südliche Hawila könnte in der weiteren Umgebung von Ṣirwāḥ (Koordinaten: 15.45, 45.016667 N 15°27'00.0", E 45°01'00.0" ) liegen, etwa 40 km westlich von Mārib und etwa 250 km östlich der südlichsten Farasān-Inseln. 1870 hat ein Augenzeuge hier einen Goldwäscher gesehen (zitiert bei Müller 1992). Ṣirwāḥ war auf Grund von offenbar unveröffentlichten C14-Datierungen schon in der Mitte des 2. Jt.s v. Chr. besiedelt (so die Angabe auf der Projektinformationsseite des Deutschen Archäologischen Instituts). - 2.„Auf der Grenze zwischen Sa‘da und Najran, exzellente Mine.“ Ṣa‘da (Koordinaten: 16.93596 43.76390 N 16°56'09.5", E 43°45'50.0"
) liegt etwa 150 km östlich der nördlichen Farasān-Inseln, Naǧrān (Koordinaten: 17.55815 44.23097 N 17°33'29.3", E 44°13'51.5" ) 80 km nordöstlich von Ṣa‘da. Die Stadt Naǧrān / al-Uḫdūd lag an der Weihrauchstraße (→ Weihrauch ) und war auf Grund von Ausgrabungen und Surveys schon ab 500 v. Chr. bis etwa 250 n. Chr. bewohnt (al-Marih 2010, 366-369). Die Blüte dieser Stadt dürfte vor allem mit dem Weihrauchhandel in Verbindung stehen. Ob Goldvorkommen ebenfalls dazu beigetragen haben, ist unklar, aber immerhin möglich. Eine Gründung der Stadt als „Heimat“ von Minenarbeitern in den Goldminen um 500 v. Chr. ist allerdings unwahrscheinlich. Ihr Aufblühen ist wohl mit dem Weihrauchhandel in Verbindung zu bringen.
Leider sind die hier erwähnten Goldminen nicht weiter erforscht; es gibt auch keine Surveys in der Region, die die Siedlungsgeschichte aufdecken könnten. Ohnehin ist es immer möglich, dass Minenarbeiter nicht in den in der Nähe gelegenen Orten wohnten, sondern in Zelten.
4. Zusammenfassung
Nach dem heutigen Wissensstand kommt eine Lokalisierung von Ofir in Ägypten nicht infrage, da keine der ägyptischen oder nubischen Goldminen während der Eisenzeit in Benutzung war. Auch eine Lokalisierung von Ofir in Indien ist eher unwahrscheinlich, da die Distanz doch wohl zu groß ist. Erst ab der hellenistischen Zeit scheint es plausibel, dass Gold aus Indien in die Levante kam. Gen 10,29
Literaturverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis
- Abb. 1 Wichtige Orte nach Gen 10,26-30. © W. Zwickel / Google earth
- Abb. 2 Ostrakon aus Tell Qasīle. © W. Zwickel
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