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Schiff / Schiffbau

(erstellt: Mai 2024)

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Der antike nahe Osten ist reich an unterschiedlichen Fortbewegungsmitteln zu Wasser, die sich literarisch, bildlich (ikonographisch) und archäologisch erschließen lassen. Die ersten und einfachsten Wasserfahrzeuge waren kleinere Boote und bestanden aus getrockneten Pflanzen wie → Schilf oder → Papyrus sowie hölzernen Rahmen, die mit Tierhäuten bespannt wurden. Solche Bootstypen finden sich zu vielen Zeiten in fast allen Kulturen. Die Sprachen des antiken Ägypten, der Levante und Mesopotamiens machen keinen Unterschied zwischen kleinen Booten oder großen Schiffen. Ebenso wenig wird nicht zwischen Binnen- oder Seeschifffahrt differenziert. Erst im 3. Jt. v. Chr. entwickeln sich große, hölzerne Schiffe, hauptsächlich für den Handel, die weite Distanzen zurücklegen sollen und von deren Fahrten ganze Staatsgebilde abhängig werden. Alle antiken Schiffe sind in der „shell-first-Technik“ gebaut, bei der erst die Beplankung aufgebaut und daraufhin das Skelett eingesetzt wird. Spätestens seit dem 1. Jt. v. Chr. wird der Einfluss der phönizischen (→ Phönizier) Schiffbaukunst auf die umliegenden Regionen (Ägypten und Mesopotamien) so stark, dass sie die vormals eigenständigen Traditionen weitestgehend verdrängen oder ablösen und man nicht mehr von ägyptischen oder mesopotamischen Schiffen sprechen kann, sondern nur noch von vereinzelten Elementen, die ägyptischen oder mesopotamischen Ursprung haben. Der küsten-levantinische Schiffbau des 1. Jt.s v. Chr. ist jedoch selbst eine Synthese aus ägäischer und lokaler Schiffbaukunst, deren eigenständige Vorläufer kaum bekannt sind.

1. Ägypten und der Nil

Die Bedeutung der Schifffahrt auf dem → Nil für die antiken ägyptischen Gesellschaften kann kaum überschätzt werden. Sprachlich, ikonographisch und kontextuell waren der Nil und die Binnenschifffahrt auf ihm omnipräsent und dementsprechend reich an Einfluss. Administrative Bezeichnungen für Ämter oder Gruppen in der Verwaltungstätigkeit des → Neuen Reiches rühren noch von Positionen in der Schiffsmannschaft aus der Zeit des Alten Reiches her. Allgemein gebräuchliche ägyptische Längenmaße stammen aus dem Schiffbau und in Mythen und Weltbildern nehmen Schiffe, Boote und Fahrten auf dem Nil häufig zentrale Positionen ein. Der Nil und die Binnenschifffahrt auf ihm waren im antiken ägyptischen Alltag permanent präsent und untrennbar mit der Gesellschaft verwoben.

Die Anfänge der Bewegung auf den Wassern des Nils findet man in Papyrusbooten. Die Vielzahl unterschiedlicher Formen von Papyrusbooten findet jedoch literarisch kaum einen Niederschlag. Ikonographisch sind Papyrusboote aber dominant und schon seit der 4. Dynastie (Mitte des 3. Jt.s v. Chr.) belegt. Ritzzeichnungen und Petroglyphen aus der Naqada-Zeit (4500-3000 v. Chr.) belegen nicht weiter identifizierbare Bootstypen sogar schon früher. Papyrusboote fanden nur Verwendung auf dem Nil oder in anderen ägyptischen Binnengewässern. Boote aus Binsen, Fellen oder Häuten sind seltener für Ägypten belegt, fanden jedoch auch Verwendung. Kleine Boote aus Papyrus, Binsen, Fellen oder Häuten waren vor allem in privatem Kontext in Gebrauch, z.B. zum Fischfang oder für kleinere Transporte. Götterbarken aus Papyrus bilden eine Ausnahme.

Hölzerne Boote und Schiffe und ihr Bau gelten zu vielen Zeiten als königliches oder staatliches Privileg und sind ebenso seit der 4. Dynastie belegt. Der hohe Wert des Materials Holz für das sog. ‚holzarme Ägypten‘, wie auch die Möglichkeiten, die sich über Transportschiffe und Überseehandel ergeben, mögen zu dieser Regelung geführt haben. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass alle Holzschiffe dem Staat unterstellt waren. Der Begriff „Staatsschiff“ legt zum Beispiel nahe, dass nur einige Schiffe dem Staat unterstanden.

Von der Vielzahl literarisch bekannter ägyptischer Schiffstypen bzw. Holzschiffstypen, wie dem Seheri-Schiff aus der Siegesstele des Pije (8. Jh. v. Chr.) oder die Mek-Schiffe, Djat-Schiffe und Gold-Schiffe aus dem Kriegszug des Ka-Mose (16. Jh. v. Chr.), kann kein einziges bildlich identifiziert werden. Detaillierte Beschreibungen fehlen ebenso. Ikonographisch lassen sich eine Vielzahl von Schiffstypen identifizieren, von denen sich jedoch die meisten nicht über Technik, Schiffsbau oder Funktion definieren lassen. Eine Ausnahme bilden möglicherweise die „Byblos-Schiffe“ aus dem 3. Jt. v. Chr. Von diesen wird jedoch allgemein angenommen, dass es sich um levantinische Wasserfahrzeuge handelt, nicht um ägyptische (s.u. 3.).

Kriegsschiffe kennt Ägypten kaum. Bis zum Neuen Reich werden in Kriegen Schiffe nur zum Truppentransport eingesetzt. Auch in der Schlacht gegen die → Seevölker (1180 v. Chr.) setzt → Ramses III. hauptsächlich Transport- und Handelsschiffe ein, um das Nildelta abzusperren und Truppen zu transportieren. Die im Relief von Medinet Habu dargestellten Schiffe der Ägypter in der Schlacht gegen die Seevölker besitzen keine Angriffs- oder Verteidigungsspezifika – sind also nicht explizit Kriegsschiffe. Erst in der ägyptischen Spätzeit (7.-4. Jh. v. Chr.) scheint es Schiffe für Seeschlachten gegeben zu haben; die Hieroglyphe für das „Königsschiff“ beinhaltet einen stilisierten Rammsporn.

Nur theoretisch rekonstruierbar sind die monumentalen Transportschiffe des Neuen Reiches, mit denen → Obelisken bis zu fast 60 m Höhe und 2400 t Gewicht von Assuan den Nil stromabwärts transportiert wurden. Abbildungen oder Beschreibungen fehlen gänzlich.

Schiffe und Boote finden im Alten und Mittleren Reich vor allem Anwendung auf dem Nil und anderen Binnengewässern, wie Seen, Ufersümpfen oder künstlich angelegten Kanälen. Die Anwendung eigener ägyptischer Konstruktionen auf dem Meer ist zweifelsfrei erst seit dem Neuen Reich (1532-1070 v. Chr.) belegt.

Archäologische Funde von Wasserfahrzeugen vor der Cheopspyramide und aus Dashur datieren in das Alte und Mittlere Reich und bestätigen bzw. ergänzen die gewonnenen Erkenntnisse aus Darstellungen und Texten. So wurden die Einzelteile des Schiffs vor der Cheopspyramide (Kielplanke, Planken und Spanten) durch Seile zusammengehalten. Längs über die Fugen zwischen den Planken waren außerdem noch Stützhölzer gelegt. Die Form einiger Planken des Cheopsschiffes legt nahe, dass sie ursprünglich für einen anderen Zweck vorgesehen waren und als Schiffsplanke nur wiederverwendet wurden. Ein Schiffsmast wurde nicht gefunden. Das Schiff vor der Cheopspyramide wird häufig als „Staatsboot“ angesprochen, aufgrund von Ähnlichkeiten seiner Form mit ikonographischen und weiteren Parallelen. Die wesentlich kleineren Boote von Dashur kamen ohne Spanten und ohne Verlaschung aus. Ihr Aufbau wird allein durch Nut und Feder mit Zapfen (Döteln, Holz oder Metallnägel, die von innen oder außen durch die Verbindung von Nut und Feder getrieben werden) und hölzernen Schwalbenschwänzen gesichert. Die Boote von Dashur hatten keine Segel. Es sind noch weitere, vereinzelte Bauteile eines oder mehrerer Schiffe aus el-Lisht und Takhan erhalten, die zeigen, dass auch Kombinationen aus Verlaschung mit Nut und Feder-System bekannt waren. Kalfatterung für Schiffe (das äußere und innere Abdichten durch wasserabweisende Substanzen, Textilien oder Metall) ist für Ägypten nicht eindeutig zu belegen. Schiffsgruben (leere) in Verbindung mit Gräbern sind häufig belegt und unterstreichen noch einmal die Bedeutung von Wasserfahrzeugen in kulturellen Kontexten.

1.1. Schiffbau am Nil

Papyrusbootsbau ist trotz seiner Unsichtbarkeit im archäologischen Befund wahrscheinlich der am weitesten verbreitete Baustil gewesen, schon aufgrund des leichten Zugangs zum Material – das Boot des „einfachen Mannes“ war wohl sicher ein Papyrusboot.

Papyrusboote wurden aus mehreren langen Papyrusrollen geflochten. Die ausgedünnten Enden dieser Rollen wurden zusammengebunden und hochgebogen. Weil Papyrusboote nicht stabil genug sind, um einen Mast aufzunehmen bzw. die Kraftübertragung des Windes über das Segel und den Mast das instabile Material und die Bootskonstruktion beschädigen würde, konnten Papyrusboote nur gerudert, gepaddelt oder gestakt werden. Häufig belegt sind Darstellungen von Papyrusbooten, deren beide Stevenenden mit einem Seil zusammengehalten werden. Die Konstruktion einer solchen Spanntrosse war wahrscheinlich notwendig, weil sich Vorder- und Hinterteil des Bootes mit Wasser vollsaugen, schwerer werden und mit der Zeit dann nach unten sinken.

Wie schon erwähnt, gelten Holzschiffe in einigen Zeiten als Regalie oder sind zumindest im Besitz staatlicher Institutionen. Die ersten Holzgefährte waren jedoch, wie auch Papyrusboote, reine Binnengefährte, konstruiert für Fahrten auf dem Nil, und weisen daher auch lange Zeit keinen Kiel auf, sondern nur breite Kielplanken. Von dieser Kielplanke ausgehend, ist zuerst die Schale des Schiffes oder Bootes aufgebaut worden. Ein echter Kiel ist in Ägypten erst seit dem Neuen Reich bekannt und vielleicht auf Einfluss von Technologie aus der Ägäis oder der Levante-Küste zurückzuführen. Die einzelnen Planken wurden anfangs nur verlascht (durch Seile zusammengehalten), später aber auch durch andere Verbindungsmethoden, wie Nut und Feder oder Schwalbenschwänze, ergänzt. Die Methode des Verlaschens setzt besonders dicke Planken voraus, durch die Kanäle für Seile gebohrt werden konnten. Die Planken waren besonders kurz und wurden, wie die Ziegel bei Gebäuden, versetzt übereinander verlascht. Die Kürze der Planken mag den lokal zur Verfügung stehenden Gewächsen und der intensiven Wiederverwendung von → Holz geschuldet sein. Die Planken wurden zusätzlich durch Spanten und Halbspanten (hölzerne Querverstrebungen, die über den längsliegenden Planken angebracht sind) ergänzt, um der Konstruktion mehr Stabilität und Steife zu verleihen. Ein weiteres Merkmal speziell ägyptischer Holzschiffe sind die Spanntrosse, die dem Papyrusbootsbau entnommen sind: Heck und Bug längerer Schiffe sind durch Balken oder Tauwerke verbunden, die an den Vorder- und Hintersteven (den vertikal vom Kiel aus nach oben gebauten Mittelhölzern am Heck und am Bug) gebunden oder genagelt sind und auf dem Deck durch Stützbalken zusätzlich gehalten werden. Sie konnten wahrscheinlich über eine Windevorrichtung gestrafft oder gelockert werden. Die Notwendigkeit solcher Spanntrossen unterstreicht eine gewisse Flexibilität und Empfindlichkeit der Längsachse der Konstruktion und betont noch einmal das Fehlen eines echten Kiels, der durch eine aus mehreren Einzelstücken zusammengelaschte Kielplanke ersetzt wurde. Diese Übertragung aus der Papyrusbootsbaukunst auf Holzschiffe steht nicht allein. Ebenfalls dem Papyrusbootsbau entlehnt sind die Stropps an schmalen Wassergefährten – Umwicklungen des Bugs und Hecks mit Tauen oder Seilen. Die Notwendigkeit von Stropps ergibt sich ebenso aus empfindlichen Kielplanken und einer Instabilität durch Flexibilität von Einzelelementen der gesamten Konstruktion. Decks aus Planken (die vielleicht auch abgenommen werden konnten, um ein Verladen zu ermöglichen) waren bekannt wie auch Balkweger (Längsbalken auf der Höhe der Planken), die teilweise die Funktionen des fehlenden Kiels übernehmen konnten und Steife und Stabilität im Wasser verliehen. Im ägyptischen Schiffbau gab es neben dem einfachen Pfahlmast (seit dem Mittleren Reich belegt) auch den zweipfahligen Mast (bipoder Mast), dessen Pfähle sich über die Breite des Bootes zueinander neigten, so, dass sie sich in der Mitte trafen, wo sie von Tauen zusammengehalten wurden. Die Position des Mastes (ob einpfahlig oder zweipfahlig) im Vorderschiff, Mittelschiff oder Hinterschiff kann dabei variieren. Die Rah oder Rahe (der schwenkbare Querbalken am oberen Ende des Segels) konnte aus zwei Stücken zusammengebunden oder aus einem Stück bestehen. An beiden Mast-Typen kommen ab dem Neuen Reich auch Mastkörbe vor. Kiel und Mastkorb scheinen von seetüchtigen Schiffbauweisen von Gesellschaften, die das Mittelmeer befuhren, übernommen worden zu sein (→ Kanaanäer, Minoer, Mykener etc.) und sind für die Binnenschifffahrt nicht notwendig. Ebenso findet sich erst ab dem Neuen Reich eine erhöhte Plattform für die Steuermänner am Heck der Schiffe, die teils noch immer mit seitlichen Steuerrudern an Ruderstützen arbeiten (an Stelle von in der Mitte geführten Rudern).

Die Segel ägyptischer Schiffe sind häufig mit einer sehr ausgefeilten und aufwendigen Rigg (Takelage) dargestellt. Insgesamt muss festgehalten werden, dass ägyptische Schiffe stark von Tauen und Seilen abhängig gewesen zu sein scheinen. Neben Segeln sind auch Ruder bekannt gewesen – die Bewegung stromaufwärts musste gerudert werden. In seltenen Fällen ist auch das Treideln stromaufwärts belegt.

Von den meisten dieser technischen Details muss auf Bautraditionen von Götterbarken für Kult und Ritus geschlossen werden (→ Ägypten). Der Bau solcher Barken, ob aus Holz oder Papyrus, unterlag wahrscheinlich in vielen Fällen mehr der Tradition und religiösen Bedürfnissen als technischer Weiterentwicklung, ist also wahrscheinlich höchst konservativ und stellt damit, wenn ikonographisch dargestellt, eine veraltete Technik dar.

Ägypten war wahrscheinlich lange Zeit, trotz der immer wieder postulierten Holzarmut, auf den Import von Holz nicht zwingend angewiesen. Es ist gut möglich, dass Holz erst ab dem Mittleren Reich (2137-1781 v. Chr.) in größerem Stil importiert wurde und dies weniger für den Schiffbau als für den Bau von Gebäuden. Diese Überlegung ergibt sich aus der Beobachtung spezieller Konstruktionsweisen ägyptischer Schiffe (wie den Spanntrossen für eine segmentierte und verlaschte Kielplanke), die nahelegen, dass ägyptische Schiffbauer Mittel und Wege gefunden haben, binnen- und vielleicht auch küstenschifffahrtstaugliche Gefährte zu entwerfen, die mit den spärlichen, vorhandenen Ressourcen zu realisieren waren. Es ist nicht unmöglich, dass die sog. Holzarmut Ägyptens im Altertum überschätzt wird, da wir aus Quellen auch noch Wälder oder zumindest signifikanten Baumbestand im 1. Jt. v. Chr. am Roten Meer kennen. Erst ab dem Neuen Reich muss Holz gezielt für Schiffbauprojekte importiert worden sein. Technische Übernahmen, wie der Kiel, oder auch die Super-Frachter zum Transport monumentaler Architekturteile erforderten geeignete Hölzer, die sicherlich nicht mehr in Ägypten vorhanden waren. Die wichtigsten einheimischen Hölzer für den Schiffbau stammen vom → Feigenbaum, von der → Akazie, der Wüstendattel (Zachunbaum) und von strauchartigen Gewächsen, wie der → Tamariske und dem Christdorn. Als wichtigster Import sollte vorneweg die Libanonzeder (→ Zeder) genannt werden, die durch ihren hohen Wuchs als bestgeeignetstes Baumaterial in jedem Verwendungsbereich geschätzt wurde. Die Kostbarkeit der Libanonzeder ging jedoch Hand in Hand mit hohen Preisen. Daher darf angenommen werden, dass Tannenholz (→ Tanne) in weitaus größeren Mengen, als günstigere Alternative, importiert wurde. Die Einfuhr von → Ebenholz aus Punt hatte wohl in erster Linie Bedeutung für den Bau von Möbeln. Ebenholz ist aber auch für den Schiffbau belegt. Auch das Holz der Hopfenbuche wurde nach Ägypten importiert und fand Verwendung im Schiffbau.

Aus Ägypten kennen wir Bilder mit Beschriftungen, die Szenen aus Holzverarbeitungs-Werkstätten zeigen, keine Werften im eigentlichen Sinne. Dort werden Schiffszimmermänner und Schiffsbauer genannt sowie die „Ältesten der Werft“ und Aufseher der Zimmerleute. Die einzelnen Bauteile wurden gesägt und auch zurechtgemeißelt. Schiffbau ist in Ägypten dezentral organisiert und konnte damit an vielen Orten mit Wasser, nicht nur am Nil, stattfinden (Schiffe nach Punt wurden z.B. wahrscheinlich am Roten Meer gebaut). In Ägypten wird für das Bauen eines Schiffes der Begriff des „Zusammenbindens“ benutzt, was wiederum eine Abhängigkeit des Holzschiffbaus vom Papyrusbootsbau nahelegt oder auf die Verlaschung anspielt.

2. Euphrat und Tigris

Unglücklicherweise ist die Überlieferung für die mesopotamische Schiffbaukunst nicht so reich an großformatiger Ikonographie wie die Ägyptens. Die Rekonstruktion von Details, wie sie in Ägypten möglich ist, wird für die mesopotamischen Gesellschaften schwierig bis unmöglich. Jedoch lässt sich auch für die mesopotamischen Gesellschaften die Bedeutung von Schiffen und Schifffahrt kaum unterschätzen. Die ältesten sumerischen (→ Sumer) Texte sprechen bereits von Wasserfahrzeugen, und in den ersten großformatigen Rechtscodices sind alle Aspekte der Welt der Schiffe bereits rechtlich vollkommen erschlossen. Schiffe sind ebenso zentral für Religion und Ritus wie in Ägypten. Der frühe Überseehandel mit Dilmun (Bahrain), Magan (Oman?) und Maluhha (Indus-Region?) ist schon früh ein staats- und gesellschaftstragender Faktor für alle Beteiligten.

Während in Ägypten die ersten Wasserfahrzeuge aus Papyrusbündeln bestanden, waren es an → Euphrat und → Tigris wohl zuerst mit Fellen oder Häuten bespannte Holzgerüste. Auch korbartige Binsenkonstruktionen waren in Gebrauch. Zeugnisse früher Schifffahrt findet man schon in den Bootsmodellen der spät-chalkolithischen Obed-Kultur (auch „Ubeid-culture“; 5500-4300 v. Chr.) im Mündungsgebiet von Euphrat und Tigris, die häufig in Gräbern gefunden wurden.

Der Anfang von hölzernem Bootsbau lässt sich im Zweistromland nicht sicher erkennen, muss aber schon mindestens seit der Ur-III-Zeit (3. bis Anfang 2. Jt. v. Chr.) bekannt gewesen sein. Vor allem seit dem Aufstieg Dilmuns (Bahrain) zur frühbronzezeitlichen Seehandelsmacht entstehen kleinformatige Abbildungen (auf Rollsiegeln), die Boote darstellen, die zumindest teilweise aus Holz bestanden haben müssen. Eine besondere Form eines kleinen Holzbootes, rund und bauchig, ohne Heck oder Bug und gut geeignet für langsam fließende oder stehende Gewässer, leitet sich direkt von den korbartigen Binsen- und Lederbooten ab. Ein wichtiges Charakteristikum aller mesopotamischen Schiffbaustile ist die intensive Nutzung der überall vorhandenen Bitumenvorkommen (→ Pech) zum Kalfattern, die schon bei den frühesten Wasserfahrzeugen – ob groß und teuer oder klein und günstig – angenommen werden kann.

Die in Texten häufig erwähnten Magan-, Dilmun-, Meluhha- und Schulu-Schiffe (unbekannt) sind Bauten, die nach ihrem Ziel- oder Herkunftsort benannt sind (wie auch die Byblos-Schiffe in ägyptischen Texten; s.o. 1. und s.u. 3.). Dass sie einen bestimmten Bautypus darstellen, ist unwahrscheinlich, jedoch legt die große Entfernung der Zielorte nahe, dass es sich um seetüchtige Fernhandelsschiffe mit viel Fassungsvermögen gehandelt haben muss. Beschreibungen zu diesen oder anderen Schiffen fehlen. Bildliche Darstellungen lassen sich ebenso wenig mit namentlich bekannten Schiffstypen in Verbindung bringen. Schiffe werden jedoch durch ihr Fassungsvermögen kategorisiert, wodurch sich auch spezielle Bautypen ergeben könnten. Texte aus der frühdynastischen Zeit (2500-2350 v. Chr.) beschreiben regelmäßig Schiffe, die 120 gur (1 gur = 300 kg) tragen, in wenigen Fällen ist sogar die Rede von 360 gur tragenden Schiffen. Ob eine dieser Tonnageklassen jedoch ein „Magan-Schiff“ oder ein „Dilmun-Schiff“ darstellt und wie es gebaut wurde und ausgesehen hat, kann nicht gesagt werden.

Kriegsschiffe sind aus dem Zweistromland nicht bekannt, dafür jedoch Götterbarken und Prunkschiffe, die nach den textlichen Zeugnissen vor allem mit Edelmetallen verziert waren. Sie stellen jedoch Ausnahmen dar. Abbildungen von Booten, auf denen göttliche Individuen fahren, sind bekannt, jedoch nicht detailliert genug, um Rückschlüsse auf Konstruktionsweisen zu gewinnen.

Die frühen Leder- oder Schilfboote wie die späteren Holzfahrzeuge waren nicht nur für die Binnenschifffahrt konstruiert. Der frühe und so bedeutsame Fernhandel legt nahe, dass mesopotamische Schiffe für die Binnen- und die Seeschifffahrt konzipiert wurden.

Archäologische Funde gibt es in Form von Bootsmodellen und in Form von Bitumenüberresten mit den Abdrücken nicht erhaltener Bootsverschalung. Die schon erwähnten Modelle der chalkolithischen Obed-Kultur (→ Chalkolithikum) zeigen bauchige, fast runde Gefährte, mit flachem Boden und einer Vorrichtung für einen Mast. Spätere Modelle aus dem 3. und 2. Jt. v. Chr., gefertigt aus Bitumen oder Edelmetallen, wie Silber und Bronze, zeigen Wassergefährte, die den Schiffen von Rollsiegeln ähnlicher sind: Sie sind langrechteckig und haben weit nach oben gezogene Vorder- und Achtersteven (halbmondförmige Schiffe) oder S-förmige Steven. Diese neue Generation von Modellen besitzt Ruder und Stäbe zum Staken – niemals aber Segel. Es ist nicht unmöglich, dass sie eher Götterbarken oder andere Transportmittel für Zeremonien oder Kulte darstellen als Schiffe, die Meere zum Handel befuhren. Alle diese Modelle stammen jedoch, mit nur wenigen Ausnahmen, aus Grabkontexten und könnten durch die Verwendung in Kult und Religion eine symbolische oder metaphorische Wiedergabe von Wassergefährten sein. Die Funde von Kalfatterung mit Abdrücken der Schiffsverschalung, datieren um 2300 v. Chr. und wurden nicht im Zweistromland selbst gemacht, sondern an der Ostküste der Arabischen Halbinsel (Bahrain und Vereinigte Arabische Emirate) sowie im Oman. Manche Abdrücke zeigen Beplankung und Schilfgeflecht, andere zeigen Schilfbündel, kombiniert mit Schilfmatten. Diese Reste werden wohl von mesopotamischen Schiffen stammen und belegen die Seetüchtigkeit dieser ersten bauchig-runden Gefährte. Reliefs aus dem 1. Jt. v. Chr. aus den Palästen assyrischer Könige stellen zumeist levantinische Baukunst dar (Abb. 3) und in nur wenigen Ausnahmen mesopotamische (Abb. 2).

Fortbewegungsmethoden zu Wasser sind für das Zweistromland in Form von Segeln, Rudern, Staken und Treideln belegt. Große Schiffe wurden bevorzugt durch Kanäle und stromaufwärts getreidelt, während das Segeln auf See und dem Meer die dominante Fortbewegungsmethode war.

2.1. Der Schiffbau im Zweistromland

Ebenso wie Ägypten war Mesopotamien in der Antike nicht so holzarm wie heute. Konstruktionen kleinerer Fischerboote konnten sicherlich bis ins 1. Jt. v. Chr. durch die lokalen Holzbestände bedient werden. Dennoch taucht Holz als eines der wichtigsten Importgüter schon in schriftlichen Zeugnissen der Ur-III-Zeit auf.

Die Vielfalt schwimmfähiger Fahrzeuge auf Euphrat und Tigris war wahrscheinlich nicht größer als auf dem Nil, jedoch scheint es keine klare Dominanz eines Wasserfahrzeuges oder einer Form gegeben zu haben. Wie schon erwähnt, werden die Bootsmodelle in Gräbern der Obed-Kultur für korbartige Geflechte aus Schilf gehalten. Die sog. quffas des vormodernen Irak waren runde Boote aus Korbgeflecht und werden häufig als Nachkomme assyrischer Rundboote verstanden. Akkadische Abschriften sumerischer Texte erwähnen Namen von Wasserfahrzeugen, in denen das Wort quffa seinen Ursprung haben soll. Auch schwimmfähige Konstruktionen, die sich luftgefüllter Lederbälger bedienten, scheinen im antiken Zweistromland üblich gewesen zu sein. Durch die unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten an den Oberläufen der Flüsse im Vergleich zu den Unterläufen mag es regionale Präferenzen gegeben haben, die sich heute jedoch nicht mehr nachvollziehen lassen. Kombinationen aus beidem (mit Leder besponnene quffas) sind auch denkbar, aber nicht nachzuweisen.

Tonmodelle des 2. Jt.s v. Chr. aus → Zypern zeigen Wasserfahrzeuge, die denen der korbartigen quffas sehr ähnlich gewesen sein könnten. Diese Modelle aus Zypern sind mit einem Netzmuster bemalt, das in diesem Fall den Aufbau des Bootes darstellen könnte.

Der Beginn des Holzschiffbaus lässt sich nicht nachweisen, jedoch erwähnen bereits sumerische Texte Holz für den Bau von Wasserfahrzeugen. Wie in Ägypten kamen die ersten hölzernen Schiffe auf Euphrat und Tigris wahrscheinlich ohne Kiel aus, sondern nur mit Kielplanke. Die Bitumenabdrücke aus den Vereinigten Arabischen Emiraten aus der Zeit um 2300 v. Chr. zeigen Außenschalen, die gemischt waren aus Holzplanken und Schilfbündeln, alles zusammen verlascht, und andere Außenschalen aus einfachen Schilfmatten, ebenso verlascht. Besonders die letzte Konstruktionsvariante setzt Spanten voraus. Andere Verbindungstechniken wie Holznägel, Nut und Feder oder auch Krampen sind schriftlich belegt. Die Form oder die Dimensionen der Schiffsüberreste von der Nordküste der Arabischen Halbinsel lässt sich nicht rekonstruieren, jedoch lassen sie sich sicher mit in Texten erwähnten Magan-Schiffen identifizieren. Ob dies private Schiffe gewesen sind oder ob sie Teil einer staatlichen Flotte darstellen, kann nicht mehr sicher gesagt werden.

Von Rollsiegeln (→ Siegel / Stempel) und aus Texten sind weitere Schiffstypen bekannt, von denen einige aus Holz gewesen sein müssen. Es werden Schiffe genannt und dargestellt, die groß genug für ein Ober- und Unterdeck waren, die Kajüten und Frachträume aufwiesen, und das Befüllen durch Ladeluken ist ebenfalls erwähnt. Fahrzeuge dieser Dimensionen müssen aus Holz gewesen sein.

Die einzige belegte Segelform ist das Rahsegel, wie auch in Ägypten. Kalfatterung durch Bitumen ist in Mesopotamien seit der Ur-III-Zeit ein Standard. Die Schiffe von Götterbarken konnten auch mit Edelmetallen belegt sein. Letzteres wird jedoch wahrscheinlich nur für Wasserfahrzeuge in rituellen Kontexten vorgekommen sein. Die Mehrstöckigkeit der → Arche des → Gilgamesch kann auf eine Unterteilung von Ladezonen auf zwei oder mehreren übereinanderliegenden Zonen oder auf stationäre Hausboote auf floßartigen Strukturen, die ein Unter- und Obergeschoss ermöglichten, hinweisen. Die Kasten- oder Rundform der Arche des Gilgamesch stellt dabei sicher eine antike mesopotamische Form von Wasserfahrzeugen dar. Die sog. „Wasserpflöcke“, die Gilgamesch in die Mitte der Arche durch den Rumpf schlägt, sind unbekannt, haben aber Anlass zu der Hypothese gegeben, dass es Apparaturen, Mechanismen oder Installationen zum Ablassen von Bilgenwasser (Wasser, dass sich am tiefsten Punkt des Schiffes unweigerlich und konstant ansammelt) gab. Durch belegte Längenangaben von Planken und Angaben zum Fassungsvermögen von Schiffen sind Rekonstruktionen möglich, die den bauchigen Schiffsmodellen der Obed-Kultur ähneln. Kriegsschiffe sind aus dem Zweistromland nicht bekannt und tauchen, wie auch in Ägypten, erst durch den Kontakt mit der Levante-Küste im 1. Jt. v. Chr. auf.

Als wichtigstes Holz für den Schiffbau, wie auch für Bauwerke, muss wieder die Libanon-Zeder genannt werden. Kiefernholz (→ Kiefer) ist vor allem für Mastbäume verwendet worden. Zypressenholz (→ Zypresse) ist für Planken und weitere kleine Bauteile belegt, wie auch Wacholderbaum- (→ Wacholder) und Buchsbaumholz (→ Buchsbaum). Weitere Holzsorten, wie das „Kunumma-Baum“-Holz für Spanten, bleiben unbekannt, stellen in diesem Falle aber sicherlich ein hochwachsendes Baumholz dar, da Spanten lange Schiffsteile sind, die enormen Kräften durch Wellenschlag ausgesetzt sind (besonders im Falle von bauchigen Transportschiffen). Aus welchem Material Segel waren, ist nicht bekannt. Die Vielzahl an Arbeiten am Schiff, die von Flechtern übernommen wurden, legt nahe, dass viele Segel aus Grasmatten geknüpft waren. Auch das Kalfattern mit Bitumen wurde von Flechtern übernommen. Die Personen, die am Bau von Schiffen in Mesopotamien beteiligt waren, sind größtenteils unbekannt, abgesehen von den schon erwähnten Flechtern und spezialisierten Schiffszimmerleuten. In Mesopotamien werden Schiffe „aufgebaut, gezimmert“, und nicht wie in Ägypten, „gebunden“.

3. Die Küste der Levante

Die Schiffbaukunst der Kanaanäer, → Phönizier und → Philister ist aus Mangel an Zeugnissen schlecht zu fassen. Zur Erforschung kann die Bibel als lokales und schriftliches Dokument zwar herangezogen werden, hauptsächlich jedoch dienen die wesentlich reichhaltigeren ägyptischen und mesopotamischen Bild- und Textzeugnisse als Quellen. Wenige und schlecht erhaltene Wracks, deren Herkunft möglicherweise die Levante-Küste sein könnte, geben weitere Hinweise. Aus Mangel an langen und wasserreichen Strömen, wird sich die lokale Schiffbaukunst schon früh mit Wasserfahrzeugen zur See auseinandergesetzt haben.

Die ältesten Informationen zu levantinischen Schiffen stammen aus dem 3. Jt. v. Chr. und liegen uns in Form der sog. „Byblos-Schiffe“ aus Ägypten vor. Was genau unter diesem Begriff zu verstehen ist, bleibt unklar, es wird jedoch allgemein angenommen, dass es sich dabei um große Frachtschiffe aus der Levante handelt und nicht um ägyptische Schiffe (s.o. 1.). Auf einem Relief im Grab des Pharao Sanhure (2490-2476 v. Chr.) werden solche Schiffe dargestellt. Obwohl die Darstellung ägyptischen ikonographischen Stilmitteln unterliegt, zeigen sich klare Unterschiede zu den zeitgleichen Abbildungen ägyptischer Schiffe: so sind die Planken des Schiffes durchgehend von Heck nach Bug und nicht segmentiert, die Ruder sind durch die Mitte des Schiffes geführt, und der Rumpf wird als bauchiger interpretiert. Für einen solchen Schiffstypus darf ein echter Kiel angenommen werden.

Ein schon erwähntes Schiffsmodell aus dem 2. Jt. v. Chr. aus Zypern zeigt ebenfalls einen breiten, bauchigen Aufbau und ist von außen mit simplen Linien und einem Netzmuster bemalt. Tonfiguren, die die Besatzung des Gefährtes darstellen, sitzen auf der Bordwand. Darstellungen wie diese erinnern stark an die mesopotamischen quffas, waren aber wohl auf dem offenen Meer unterwegs (s.o. 2.). Dieses Modell legt einen starken technologischen Einfluss aus Mesopotamien auf die levantinische Schiffbaukunst nahe. Weitere Modelle, ebenso aus dem 2. Jt. v. Chr., sind weniger bauchig, aber detailreicher gestaltet. Sie zeigen Masthalterungen, einen echten Kiel, in den nur Nägel oder Dötel geschlagen werden konnten, und eine Bordwand, die an beiden Außenseiten eine hervorstehende Leiste zeigt – ein Detail, das möglicherweise eine abgekürzte Darstellung für Decksbalken, die auf Balkwegern ruhen, sein könnte.

In einem ägyptischen Grab von ca. 1400 v. Chr. findet sich eine Abbildung von der Ankunft levantinischer Handelsschiffe. Ein wichtiges Detail ist die Form des Rumpfes, der gerundet und breit erscheint und sich damit von dem Baustil der ägyptischen, barkenähnlichen Schiffe absetzt. Bug und Heck sind gleich geformt, und Vorder- und Achtersteven sind gerade nach oben gezogen. Bronzezeitlicher Schiffbau der vorderasiatischen Mittelmeerküste könnte in den Wracks von Ulu Burun und Kap Gelidonya erhalten sein. Trotz der spärlichen Überreste des Schiffes von Ulu Burun konnte noch festgestellt werden, dass die Planken durch Nut und Feder mit Döteln zusammengehalten wurden. Da der größte Teil der Fracht syro-palästinischen bzw. kanaanäischen Ursprungs ist, wird der Bau und Heimat-Hafen ebendort vermutet. Das ca. 100-120 Jahre jüngere Wrack von Kap Gelidonya stammt möglicherweise aus Zypern. In diesem Falle lässt sich nur sagen, dass Nut und Feder ohne Dötel die Planken zusammenhielten. Ob die Form ihrer Rümpfe bauchig und wie Bug und Heck gestaltet waren, lässt sich für beide Wracks nicht mehr entscheiden. Planken und Spanten levantinischer Schiffe konnten auch untereinander verlascht werden, wie die Wracks von Mazarrón und Ma’agen Mikhael bezeugen.

Viele der Veränderungen und Neuerungen im ägyptischen Schiffbau der späten Bronzezeit werden dem Einfluss des Schiffbaus der Levante zugeschrieben, wie Kiel, Mastkorb und horizontal, wie vertikal, durch Seile (genannt „Brassen“ und „Schoten“) verstellbare Rahsegel und durch Seile (genannt „Stage“) gespannte und gesicherte Masten. Ob diese Innovationen wirklich aus der Levante kamen, oder erst durch Kontakte levantinischer Gesellschaften mit der Ägäis übernommen wurden, lässt sich nicht entscheiden. Spätestens durch die Wanderungsbewegungen am Ende der Bronzezeit („Seevölkersturm“) ist die Schiffbaukunst der Levante jedoch um die der Ägäis bereichert.

Im 1. Jt. v. Chr. erlebte die Schiffbautechnik der Levanteküste weitere Innovationen. Spätestens seit dem 8. Jh. v. Chr. werden Biremen (Schiffe mit zwei übereinanderliegenden Reihen an Ruderern), mit bugseitigen Kielprojektionen, die knapp über der Wasserlinie liegen (möglicherweise zur Stabilisierung des Schiffes im Wasser gegen seitlich wehende Winde), gebaut. Auch die Entwicklung der Trireme (Drei-Ruderer) wird von griechischen Quellen in den Städten Phöniziens lokalisiert. Eine Weiterentwicklung der bronzezeitlichen Handelsschiffe der Levante, könnten die auf Griechisch hippoi und gauloi genannten Wasserfahrzeuge sein, für die ein eher breiter als langer Bau, ein Rahsegel und häufig figürlich verzierte Stevenenden charakteristisch und namensgebend waren. Diese Schiffe könnten Weiterentwicklungen der Wasserfahrzeuge sein, die in dem schon oben erwähnten ägyptischen Grab von ca. 1400 v. Chr. im Relief erscheinen. Assyrische Reliefs aus dem 8. Jh. v. Chr. aus Khorsabad zeigen diese hippoi / gauloi (Abb. 3). Die aus der Bibel bekannten „Tarsis-Schiffe“ (→ Tarsis) sind nicht zu identifizieren. Tonmodelle von Booten und Schiffen aus dem 6.-5. Jh. v. Chr. zeigen meist Ruderboote von kleinen Dimensionen, wie 6 m und weniger, und sind nicht symmetrisch gebaut. Häufig ist das Heck höher als der Bug mit einem fast vertikal nach oben gezogenen Achternsteven. Die Form lässt auf seegängige Boote schließen.

Kriegsschiffe (Schiffe, die nicht nur Truppen transportieren, sondern solche, die mit einem Rammsporn versehen werden und damit in der Lage sind, andere Schiffe zu versenken) können erst ab dem 5. Jh. v. Chr. eindeutig nachgewiesen werden und gehen wahrscheinlich auch auf Innovationen in der Ägäis zurück. Generell lässt sich postulieren, dass ein mesopotamischer Einfluss stärker war als ein ägyptischer, die lokale Schiffbaukunst jedoch beiden Einflussgebieten in Hinsicht auf den Bau meerestüchtiger Schiffe technologisch wie konstruktiv überlegen und ressourcen-effizienter erscheint.

3.1. Schiffbau an der Levante

Das wichtigste Holz für den Schiffbau an der Levanteküste ist, wie auch in Ägypten und Mesopotamien, die Zeder. Weitere Nadelhölzer, wie Fichten und Pinien, finden ebenfalls Verwendung. Eichenholz (→ Eiche) ist nur für Einzelteile belegt. Zierhölzer wie Wacholderbaum- oder Buchsbaumholz werden nur für Bereiche benutzt, die nicht Teil der tragenden Schiffsform sind, wie Stevenenden.

Schiffswerften sind für → Ugarit (Rās Šamra), Arados, → Byblos, → Tyrus und → Sidon belegt, können aber auch in allen anderen größeren bronze- wie eisenzeitlichen Städten der Levanteküste angenommen werden. Die Produktionskapazität solcher lokalen Werften bleibt jedoch unbekannt. Es ist wahrscheinlich, dass die letzteren Werkstätten eher Fischerboote, als Kriegs- oder Überseehandelsschiffe entwarfen und fertigten. Spezifische Termini sind im Bereich des Schiffbaus nur unzureichend belegt. Gut belegt hingegen ist die tiefe Durchdringung der Welt der Schiffe und Seefahrt durch gesetzliche Regelungen an der Levanteküste: So können zum Beispiel die Schiffe → Karkemischs im Hafen von Ugarit abgewrackt werden. Ein Briefwechsel zwischen den Königen von Tyrus und Ugarit aus dem späten 13. und frühen 12. Jh. v. Chr. gibt Einblicke in Absprachen und Verträge bzgl. Seenot und Schiffbrüchigkeit. Auch in erhaltenen Staatsverträgen zwischen → Asarhaddon und der Stadt Byblos aus dem 7. Jh. v. Chr. gibt es Regelungen zur Fracht und Schiffsbesatzung im Falle von Anstranden oder Schiffbrüchigkeit.

3.2. Schiffe und Schiffbau im Alten Testament

Das Alte Testament eignet sich als literarisches Zeugnis für Schiffe und Schiffbau nur bedingt. Kleinere Boote für Küstenfischfang und Binnenschifffahrt werden selten genannt (Jes 2,16; Jes 33,21), dürften aber das Gros der Schifffahrt an der Südlevante und auf dem → See Genezareth dargestellt haben. Schiffe werden in den meisten Fällen im Zusammenhang mit Überseehandel (1Kön 9,26; 1Kön 10,22; 1Kön 22,48-49; 2Chr 8,18; 2Chr 9,21; 2Chr 20,36-37; Ps 107,23; Spr 31,14; Jes 2,16; Jes 23,1.14; Ez 27,9.25; Jon 1,3-5) erwähnt (Schiffe aus Tarsis und → Ofir), insbesondere in Verbindung mit Tyrus und → Ezjon-Geber; nur in Jon 1,3 auch mit → Jaffa. Tarsis ist dabei das am meisten genannte Ziel von Schiffen. „Tarsis-Schiff“ wird auch als Synonym für ein seetüchtiges und belastbares Handelsschiff für Langstrecken benutzt. Kriegsschiffe finden nur selten explizite Erwähnung (Num 24,24; Dan 11,30) und dabei auch nur im Zusammenhang mit → Kittim (Zypern). In Ez 30,9 und Dan 11,40 sind Kriegsschiffe sicherlich impliziert; in Jes 33,21 hingegen nicht zwingend. Andere Erwähnungen bleiben unspezifisch oder metaphorisch (Gen 49,13; Dtn 28,68; Ri 5,17; Ps 104,26; Spr 30,19; Jes 33,21; Jes 43,14; Ez 27,3; Ez 30,9; Pred 33,2). Die Stämme Asser, Sebulon und Dan (→ Stämme Israels) hatten laut biblischer Überlieferung längere Zeit Zugang zum Meer, stehen jedoch nirgendwo im Zusammenhang mit Überseehandel, Flottenkontingenten oder Schiffbau. Man muss davon ausgehen, dass am Meer siedelnde Israeliten lediglich lokale Küstenschifffahrt und Fischfang betrieben und dementsprechend nur kleine Boote benutzten und bauten. Dies wird häufig dem Mangel an geeigneten, natürlichen Hafenplätzen zugeschrieben, doch gilt dies in gleicher Weise für die Philisterstädte, die blühenden Seehandel betrieben. Vor allem Flussmündungen, wie die des → Kischon und des Yarkon, konnten intensiv als Ankerplätze benutzt werden.

Eine Einbindung in den besonders lukrativen Fernhandel hatten die Königreiche Juda und Israel nur kurzfristig. Schiffbau wird vor allem in → Ezjon-Geber am Roten Meer lokalisiert (1Kön 9,26; 1Kön 22,48; 2Chr 20,36), ist jedoch auch für Tyrus belegt (Jes 23,10). Baumaterialien, Zimmerleute und Mannschaft (sprich: das „know-how“) wurden allesamt von → Salomo über König → Hiram von Tyrus aus dem Libanon zur See eingeführt und ab Jaffa über Land ans Rote Meer geschafft. Die Partnerschaft des späteren Königs → Joschafat von Juda mit König → Ahasja von Israel zum Zweck des Flottenbaus am Roten Meer, könnte darauf hinweisen, dass auch im Nordreich Israel zeitweise ein Flottenbauprogramm für Fernhandel mit entsprechendem Fachwissen Bestand hatte oder aufgebaut wurde.

In Ez 27 wird die Stadt Tyrus metaphorisch als Schiff beschrieben, dessen Planken aus Wacholderbaumholz, dessen Mast aus Zedernholz, dessen Ruder aus Eichenholz und dessen Bug aus Zypressenholz gezimmert sind. Alle diese und weitere Hölzer finden auch im Alten Testament explizit Verwendung, jedoch nur für Gebäude (z.B. 1Kön 5,1-10; 2Chr 2,1-9). Nur in außerbiblischen Quellen früherer, lokaler und angrenzender Kulturen (s.o.) werden diese Hölzer auch im Schiffbau benutzt und das vor allem bei kleineren Prunkschiffen. Im Gleichnis Ez 27 ist die Verwendung dieser Hölzer im Schiffbau jedoch symbolisch zu verstehen. Eichen- und Zedernholz im Schiffbau kann aber sicher als gängiges Schiffbauholz angenommen werden. Vor allem das Zedernholz (wahrscheinlich auch Wacholderholz) wurde im Libanon geschlagen, zum Meer transportiert und dort zu Flößen gebunden, die dann per Schiff weitertransportiert wurden, auch nach Jaffa (1Kön 5,6-10; 2Chr 2,16).

In Jes 33,23 wird ein Schiffsmast metaphorisch durch Taue aufrecht gehalten. Möglicherweise sind im Winkel verstellbare oder schwenkbare Masten gemeint, die u.a. mit Hilfe von Tauen positioniert wurden. Bronzezeitliche levantinische und phönizische Schiffstypen der Eisenzeit werden mit ähnlichen Vorrichtungen dargestellt (Abb. 3 und s.o. 3.). Es wird sich jedoch um ein missverständliches Sinnbild handeln, da Masten kaum durch Taue aufrecht gehalten, sondern nur stabilisiert wurden.

In Ez 27,7 wird Leinen (buntes) aus Ägypten als Stoff für Segel erwähnt. Kalfatterung wird möglicherweise in Ez 27,9.27 durch das „Abdichten“ eines Schiffes impliziert, ist aber sicherlich in Gen 6-7 für die Bearbeitung der → Arche Noahs erwähnt („verpichen“). Neben Segeln für Schiffe wird auch Rudern als Antriebsmöglichkeit genannt (Ez 27,6.8.26.29).

Schiffe und Schifffahrten können als Metapher für Königreiche und deren politische Entwicklung benutzt werden, indem das Schiff das Königreich, der Steuermann den König und Fahrt wie Ziel, politische Entscheidungen und die sich daraus ergebenden Resultate darstellen (vgl. Ez 27). Auf die gleiche Weise kann auch das Leben eines Menschen mit einer Schifffahrt verglichen werden.

Generell ist anzumerken, dass zwar ausführliche Narration oder Beschreibung von Schiffen im Alten Testament fehlt, dafür jedoch Schiffe und der Kontext der Schifffahrt zur See bekannt waren. Schiffe, Schifffahrten, Schiffbau und Überseehandel werden unterschiedlich und kontextabhängig beurteilt: Ohne kritische Wertung werden Schiffe der „vorstaatlichen“ Zeit beschrieben (Gen 49,13; Dtn 24,24; Ri 5,17). Die kooperative Unternehmung der Könige Salomo und Hiram wird positiv dargestellt (1Kön 10,22; 2Chr 8,18; 2Chr 9,21). Der spätere Flottenbau König Joschafats von Juda wird jedoch negativ bewertet, aufgrund der Partnerschaft mit dem israelitischen König Ahasja (1Kön 22,48-49; 2Chr 20, 2Chr 36-37; Ps 48,7). In beiden Fällen sollen „Tarsis“-Schiffe gebaut werden, die nach Ofir fahren. Ein „Tarsis“-Schiff erscheint hier als ein belastbares, seetaugliches Lastenschiff, das lange Zeit und weite Strecken zurücklegen soll, nicht als Schiff, das nach Tarsis, lokalisiert im westlichen Mittelmeer oder Ost-Atlantik, fährt. Die exilischen bzw. nach-exilischen (→ Exil / Exilszeit) Partien im Jesajabuch zeichnen ein höchst kritisches und negatives Bild von Schifffahrt, vor allem, aber nicht nur, als Teil anti-tyrischer Polemik (Jes 2,16; Jes 23,1.14; Jes 33,21; Jes 43,14). Schiffe und Überseehandel sind hier die Quelle für Reichtum und Einfluss, welcher als negativ gilt, da er, wie im Falle von Tyrus, in den Händen von Götzendienern liegt (vgl. Jes 23,14 mit Jes 60,9). Auch im → Ezechielbuch findet sich dieses Synonym (vgl. Ez 27). Während im Jesajabuch Schiffe und Schifffahrt verurteilt werden, da mit ihnen Reichtum und Macht einhergehen, die wiederum moralisch verderblich sind, stehen bei Ezechiel und auch in Ps 107,23-30 die Gefahren und Risiken von Seefahrten im Vordergrund, die sich weder durch Macht noch durch Reichtum rechtfertigen lassen. In der gescheiterten Unternehmung des Joschafat steht nicht der Seehandel per Schiff oder das Ziel von Macht und Reichtum im Zentrum der negativen Beurteilung, sondern die Kooperation mit der negativ-konnotierten Person des Königs Ahasja von Israel, als eines Staatsmannes, der Götzendienst zulässt.

Die Arche Noah wird im Alten Testament nicht detailliert beschrieben, jedoch lässt sich das Verpichen mit Teer dieses Bauwerkes vom Schiffbau ableiten (vgl. Gen 6-7). Das Aussehen der Arche und ihr Aufbau wird sich jedoch eher an mesopotamischen Vorbildern orientiert haben, wofür schon die stoffliche Nähe zum Gilgamesch-Epos spricht.

Insgesamt werden Schiffe und Schifffahrt im Alten Testament als etwas Fremdes dargestellt und weiter im Norden, an der Mittel- und Nordlevante, verortet. Die wenigen Erwähnungen von Schiffen zeigen jedoch auch, dass die vorhandenen Informationen über dieses Thema aus dem kulturellen Kontext der Levante stammen und in der Regel keine Kenntnisse ägyptischer oder mesopotamischer Schiffbaukunst voraussetzen (mit Ausnahme der Schilderung der Arche Noahs).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Reclams Bibel Lexikon, Stuttgart 1978
  • Herders Neues Bibellexikon, Freiburg u.a. 2008

2. Weitere Literatur

  • Basch, L., 1987, Le Musée Imaginaire de la Marine Antique, Athen
  • Bockius, R., 2007, Schifffahrt und Schiffbau in der Antike. Archäologie in Deutschland, Sonderheft
  • Casson, L., 1971, Ships and Seamanship in the Ancient World, Princeton
  • Dürring, N., 1995, Materialien zum Schiffbau im Alten Ägypten. Abhandlungen des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo, Ägyptische Reihe 11, Berlin
  • De Graeve, M.-C., 1981, The Ships of the Ancient Near East (c. 2000 – 500 B.C.), Leuven
  • Hausen, J., 1979, Schiffbau in der Antike, Herford
  • Kingsley, S.A., 2000, Shipwreck Archaeology in Israel, STRATA 18, 57-71
  • Parker, A.J., 1992, Ancient Shipwrecks of the Mediterranean and the Roman Provinces, BAR International 580, Oxford
  • Raban, A. / Kahanov, Y., 2003, Clay Models of Phoenician Vessels in the Hecht Museum at the University of Haifa, Israel, International Journal of Nautical Archaeology, 32, 61-71

Abbildungsverzeichnis

  • Abb. 1 Umzeichnung eines Reliefs eines ägyptischen Schiffs der Expedition nach Punt von Königin Hatschepsut. Längs über das Schiff gespannt ist eine Trosse erkennbar. 1479-1458 v. Chr. Tempel von Deir el-Bahri. © Wikicommons, Public Domain
  • Abb. 2 Detail eines Reliefs aus dem Palast Sennacheribs in Ninive. Im Zentrum wird ein bauchiges Rundboot mit Last auf dem Tigris gerudert. Die Besatzung sitzt auf der Bordwand. Vor und hinter dem Boot sitzen Fischer auf aufgeblasenen Tierbälgen im Wasser und fischen. Im British Museum. 6. Jh. v. Chr. © P. Ebeling
  • Abb. 3 Relief aus dem Palast Sargons II. aus Khorsabad, das mehrere levantinische, als hippoi oder gauloi angesprochene Wasserfahrzeuge zeigt, die Holzstämme bzw. Zedernholzstämme liefern. © Musee du Louvre

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