Deutsche Bibelgesellschaft

Ahasja von Israel

Andere Schreibweise: Ahaziah

(erstellt: Mai 2024)

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1. Name

Der Name Ahasja(hu) (hebräisch: אֲחַזְיָהוּ / אֲחַזְיָה: ’ǎḥazjāhû / ’ǎḥazjāh, griechisch: Ὀχοζίας Ochozias, lateinisch: Ohozias) ist gebildet nach der Form PS (Prädikat + Subjekt) aus der Verbalwurzel: אחז (’ḥz: ergreifen, etw. halten / festhalten, verbinden) und dem theophoren Suffix יָהוּ jāhû bzw. יָה jāh (Koehler 1952, 375). Die Bedeutung ist demnach: Jahwe hat (seine Hand) ergriffen. Der Name ist biblisch für den parallel zu → Joschafat regierenden Nordreichskönig Ahasja sowie auch für den auf Joram folgenden König → Ahasja von Juda, den Enkel Joschafats, belegt. Beide Könige werden sowohl in den → Könige- als auch in den → Chronikbüchern erwähnt.

2. Biblische Darstellung der Königebücher

2.1. Ahasjas Politik als König

Die Darstellung Ahasjas von → Israel erstreckt sich über die Trennung der Königebücher (1Kön 22,40.50.52-54; 2Kön 1,1-18). Ahasja wird im Zuge der Sterbenotiz seines Vaters, König Ahab von Israel, als König eingeführt (1Kön 22,40). Dieser stirbt bei einem gemeinsam mit Joschafat gegen → Aram geführten Feldzug. Als Sohn → Ahabs und dessen Frau → Isebels repräsentiert er die dritte Generation der Omriden-Herrschaft (→ Omri) im Nordreich Israel. Die Darstellung der Figur ist fragmentiert. In 2Kön 1,2-17aα wird eine Elia-Episode (→ Elia) integriert. In 1Kön 22,41-49 wird zunächst die Darstellung Joschafats, des Königs von Juda, eingegliedert, der eine kurze Zeit lang gleichzeitig mit Ahasja regiert hat. Beide Könige sind die jeweils ersten „mit JHWH-haltigen Namen“ (Knauf 2019, 521). Rainer Albertz erblickt darin ein Indiz dafür, dass der offizielle Baal-Staatskult (→ Baal) Ahabs und der Omriden von der persönlichen JHWH-Frömmigkeit abzugrenzen sei (Albertz 1996, 232). Christian Frevel deutet denselben Umstand inzwischen dahingehend, „dass JHWH erst unter den Omriden zum Nationalgott in Samaria erhoben wurde“ (Frevel 2019, 40) und von dorther nach Jerusalem gelangt ist. In 1Kön 22,50 wendet Ahasja sich mit dem Anliegen an Joschafat, an einer von diesem geplanten Schiffskampagne zur Goldbeschaffung nach → Ofir (1Kön 22,49f.) teilzunehmen: „Meine Diener sollen mit deinen Dienern auf den Schiffen fahren.“ Joschafat weist diesen Vorschlag jedoch zurück, womit, Volkmar Fritz zufolge, die „Unabhängigkeit des Königs von Juda gegenüber dem Nordreich angezeigt“ (Fritz 1996, 202) sei.

Zum Beginn der Regierungszeit wird geschildert, dass es zum Konflikt zwischen → Moab und Israel (2Kön 1,1) kommt. Gegenüber seinem Großvater und Vater deutet dies auf fehlende militärische Stärke hin. Steven McKenzie konstatiert pointiert: Er „ist ein Schwächling“ (McKenzie 2021, 261).

Die → Septuaginta stellt den Stoff um und bietet 1Kön 22,47-50 bereits in 3Reg 16,28a-h. Winfried Thiel vermutet, dass damit die lange Erzählpause zwischen der ersten und zweiten Erwähnung Joschafats in 1Kön 15,24 und 22,1-38 geschlossen werden sollte. Da Joschafat den Thron damit noch unter Omri und nicht erst unter Ahab besteigen sollte, war dementsprechend die in 3Reg 16,28g auffallende Ersetzung Ahasjas durch den Ausdruck „König von Israel“ als Beseitigung eines Anachronismus angezeigt (Thiel 2019, 708). Die Regentschaft Joschafats beginnt dementsprechend nicht mehr im vierten Jahr Ahabs, sondern im elften Jahr Omris.

Ahasja wird König im 17. Jahr des judäischen Königs Joschafat und regiert in → Samaria etwa zwei Jahre lang (1Kön 22,52) (vgl. dazu McKenzie 2021, 265 sowie Weingart 2020, 32). Dabei ist der Unterschied zwischen beiden immens. Während dieser überwiegend nach Gottes Willen handelt und daher lange regiert, wird jener negativ beurteilt und regiert entsprechend kurz. Die Evaluation Ahasjas geht dabei seiner Regierungszeit voraus. Konkret wird er mit seinem Vater Ahab und mit dem ersten Nordreichskönig → Jerobeam I. verglichen: „Und er tat, was böse war in den Augen des HERRN, und er ging auf dem Weg seines Vaters und auf dem Weg seiner Mutter und auf dem Weg Jerobeams, des Sohns von Nebat […]“ (1Kön 22,53). Als Anhänger des Baal wird er genau wie sein Vater Ahab beschrieben:

1Kön 16,31bβ*

1Kön 22,54a

[…] und er [sc. Ahab] diente dem Baal und warf sich vor ihm nieder.

Und er [sc. Ahasja] diente dem Baal und warf sich vor ihm nieder […]

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Die historiographischen Daten über Ahasja von Israel finden sich in 1Kön 22,40.52–54; 2Kön 1,17f. Dazwischen ist eine Elia-Episode eingeschoben.

Die Tatsache, dass seine Regierungszeit sich von 1Kön 22,40 bis 2Kön 1,18 erstreckt, ist ein Indiz dafür, dass die Trennung der Königebücher nicht nur sekundär, sondern recht willkürlich vorgenommen wurde. Gleichwohl weist Knauf (2019, 527) darauf hin, dass eine aus den griechischen Handschriften herrührende Trennung der Bücher auch nach 2Kön 1,1 kaum mehr möglich gewesen sei, da bspw. 2Kön 1,1 und 3,5 eine inclusio bilden, die zu wahren war. Mithin sei also die Einheit und Trennung der Bücher gleichermaßen durch die Elia-Erzählung ins Werk gesetzt. Sie wird aus der griechischen Handschriftentradition in die Vulgata und 1516 durch die Bombergiana auch ins Hebräische übernommen (vgl. dazu Fritz 1996, 8).

Noch bevor Ahasja den Thron besteigt, wird die Initiative zu einer Seekampagne mit Joschafat beschrieben (1Kön 22,50 // 3Reg 16,28g). Jonathan Robker (2012, 172), der an dieser Stelle mit der Septuaginta liest, die den Namen Ahasjas tilgt, misst dieser Episode keinen historischen Wert bei.

2.2. Ahasja und Elia

Angesichts der Kürze seiner Regierungszeit und dem Wenigen, was über diesen König berichtet wird, scheint es in der Anlage des Narrativs insbesondere um die Einbettung einer Elia-Episode (2Kön 1,2-17aα) gegangen zu sein. In anderer Hinsicht bringt es jenseits der reinen Königs-Chronik keinen inhaltlichen Fortschritt. Mit 2Kön 1,2-17aα liegt zugleich die letzte Elia-Erzählung vor der Einsetzung → Elischas vor. Geschildert wird ein Konflikt zwischen König und Prophet (vgl. dazu Lehnart 2003). Ahasja will nach einem Unfall ein Orakel einholen und in Erfahrung bringen, ob er wieder genesen wird. Elia erhebt Einspruch, da sich Ahasja an den falschen Gott wendet.

Bereits die Grundstruktur der Begebenheit trägt einen ironischen Zug, da Ahasja durch eine „dreieck- oder rautenförmig durchbrochene Brüstung einer Dachterasse“ (vgl. Mittmann 2003, 115) fällt und sich dabei verletzt. Die ironische Lesart ist, dass JHWH ihm dabei eine Falle gestellt haben könnte, denn immerhin ist das Bildprogramm des Netzes in Hi 18,8f. durch das Ergriffensein von einer Falle näher bestimmt. Mit dem Sturz und der folgenden Erkrankung wird gewissermaßen ein Abfall von JHWH inszeniert, aus dessen Rückhalt (אחז ʾḥz) sich Ahasja durch den Sturz allegorisch löst.

Der Umstand der Verletzung Ahasjas dient als Exposition für die Integration einer Elia-Episode. Die Episode folgt dem narrativen Muster eines starken Propheten, der gegen einen schwachen König opponiert. Anlässlich der Einholung einer Prognose zu seinem Krankheitsverlauf entsendet Ahasja eine Gesandtschaft zum → Baal-Sebub (hebr. בעל זבוב b‛l zbwb, dt. Herr der Fliegen), um den Gott → Ekrons (Tell Miqne, etwa 20 km nord-östlich von → Aschdod) in dieser Sache zu konsultieren.

Der Gesandtschaft stellt sich der Prophet Elia mit einer einschlägigen, gegen den Baal-Kult gewendeten, rhetorischen Frage in den Weg: Gibt es keinen Gott in Israel (אין־אלהים בישׂראל jn lhjm bjśrl, vgl. 2Kön 1,3.6.16)?

Frevel (2023, 206) macht auf den Umstand aufmerksam, dass der Weg von Samaria nach Ekron nicht am Aufenthaltsort Elias, dem Berg Karmel, vorbeiführt und es mithin zu einer topographischen Unstimmigkeit komme. Entsprechend sei Elia in der christlichen Tradition nach Šeḥ Šaaleh (südlich von Samaria) transloziert worden.

Zugleich wird Elia auffälligerweise in diesem Kapitel gleich fünf Mal אישׁ האלהים jš hlhjm genannt (2Kön 1,9.10.11.12.13). Der Gebrauch des Titels: „Gottesmann“ führt einige Exegeten dazu, 2Kön 1,9-16 für sekundär zu halten (vgl. Steck 1967, 546-556; Lehnart 2003, 267). Ehe noch die Gesandtschaft den Gott Ekrons befragen kann, konstatiert Elia nun: Ahasja werde sterben (מות תמות mwt tmwt, 2Kön 1,4.6.16), weil er nicht JHWH befragt habe. Ahasja, verärgert über diese Prognose, versucht durch Aussendung zweier Fünfzigschaften, den Propheten an seinen Hof bringen zu lassen, scheitert jedoch zweimal, bevor ein dritter Versuch gelingt. Die Umstände ähneln den ähnlich gewalttätigen Vorgängen in 1Kön 18. Die ersten 100 Gesandten werden durch Feuer vom Himmel bekämpft, während sich die dritte Fünfzigschaft dem Propheten durch ein Demutsritual unterwirft. Elia wird von JHWH beauftragt, selbst zum König zu gehen (2Kön 1,15) und diesem sein Schicksal anzusagen. Dabei nimmt er die Begründung vorweg, die er schon durch die Gesandtschaften des Königs hatte übermitteln lassen: „So spricht JHWH: Weil du Boten gesandt hast, um den Baal-Zebub, den Gott Ekrons, zu befragen – Gibt es denn keinen Gott in Israel, dessen Wort man erfragen könnte? – darum wirst du von dem Lager, auf das du dich gelegt hast, nicht mehr aufstehen, denn du musst sterben.“ Darin kommt die Ironie zum Ausdruck, dass der Tod nicht die Folge des Sturzes ist, sondern die Folge dessen, dass Ahasja kein Orakel von JHWH eingeholt hat. Die Ankündigung des Todes durch den Propheten ist entsprechend keine Antwort auf Ahasjas Frage, sondern eine Strafankündigung (vgl. Lehnart 2003, 283). Umgehend wird vom Ableben des Königs berichtet (2Kön 1,17). Damit richtet sich die Beurteilung Ahasjas nach dem Grundmuster deuteronomistischer Theologie (→ Deuteronomismus): Er hat durch seine Hinwendung zum Baals-Kult gegen das Alleinverehrungsgebot JHWHs verstoßen und wird dafür mit dem Tode bestraft. Mit Ahasja beginnt dementsprechend der Niedergang der Omridendynastie und des Hauses Ahab, der in 1Kön 21,21-22.24 angekündigt wurde und mit → Joram (851-842 BCE) an ein Ende kommt. Bemerkenswert ist, dass in der Sterbenotiz nicht nur deutlich wird, das Ahasja, „der Schwächling“, keinen Sohn gezeugt hat, sondern dass offenbar sein Bruder Joram die Herrschaft übernimmt und dass dieser denselben Namen trägt wie der Sohn des judäischen Königs Joram, des Sohnes Joschafats.

2.3. Das Motiv des Baal-Sebub

Das Motiv des Baal-Sebub wird in der Forschung seit längerem diskutiert. So hat die ältere Forschung angenommen, dass es sich dabei um eine Verballhornung des Baal handelte. Dieser werde als Fliegengott zu einer Art „Witzfigur“ gemacht. Der Name Baal-Sebub sei demnach eine Verballhornung des Namens Baal-Sebul (dt. Baal ist Fürst, vgl. Lehnart 2003, 269).

Diese Auffassung wird neuerdings von Christian Frevel bestritten, der zeigen kann, dass zəbûb die ursprüngliche Lesart des Epithetons des Gottes von Ekron ist und signifikante Bedeutung hat. Textgeschichtlich zeigt Frevel (2023, 203-205), dass Baal-Sebub die älteste Lesart ist. Die Bezeichnung habe entsprechend nichts mit einem älteren Sebul zu tun. Demzufolge ziele der Text nicht darauf ab, sich über einen wie auch immer gearteten „Prinz Baal“ lustig zu machen, indem dieser ironisch mit Fliegen in Verbindung gebracht wird. „Herr der Fliegen“ stehe vielmehr in Verbindung mit der Produktion von Olivenöl in Ekron im 7. Jahrhundert v. Chr. In dieser Zeit gehörte Ekron zu den größten Olivenölproduktionsstätten der Welt (vgl. Frevel 2023, 222). In diesem Kontext wehre Baal die Fliegen ab, die die Ernte der Olivenbäume bedrohten. Die Verbindung mit einem Orakel, das in der Region offenbar bekannt war, führt Frevel auf eine traditionelle Verbindung zwischen Ekron und dem Orakel von Delphi zurück, da die Göttin PTGYH im Haupttempel von Ekron bezeugt sei. Entsprechend datiert er den narrativen Kern der Geschichte von 2Kön 1 auf das Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. Die Geschichte sei dann in der nachexilischen Zeit transformiert und Elia zu einem Hyperpropheten gemacht worden.

2.4. Jonathan Robkers Rekonstruktion der ältesten literarischen Darstellung Ahasjas in einer „Israel-Quelle“

Jonathan Robker hält folgende Passage über Ahasja von Israel für die älteste erreichbare Fassung. Diese sei zugleich Teil einer von ihm rekonstruierten Israel-Quelle:

„Ahaziah ben Ahab reigned over Israel in Samaria two years. And Moab rebelled against Israel after the death of Ahab. And Ahaziah fell through the roof of his upper chamber in Samaria and was injured. And he died. And the rest of the deeds of Ahaziah that he did, are they not written on the scroll of the deeds of the days of the kings of Israel?“

Robker 2012, 309

3. Inner- und außerbiblische Rezeptionsgeschichte

3.1. Ahasja in den Chronikbüchern

Auch die Chronikbücher, die die Geschichte des Nordreiches weitgehend ausblenden, kommen auf Ahasja von Israel zu sprechen. In 2Chr 20,35-37 wird eine bemerkenswerte Gegendarstellung zu 1Kön 22,49f. geboten. In 1Kön 22,49 wird von einer Expedition der Handelsmarine Joschafats gen → Tarsis berichtet, die mit der Havarie sämtlicher Schiffe endet. Die Episode schließt mit einer Weissagung Eliesers des Sohnes Dodajahus (Liebling ist JHWH; vgl. die Lesart der Septuaginta: Dodia) gegen Joschafat. JHWH habe seine Schiffe zerbrochen, weil er sich mit Ahasja verbündet habe.

Eigentümlicherweise endet das Ahasja-Narrativ mit dem Hinweis auf weitere Berichte in den Büchern der Chronik von Israel (2Kön 1,18). Der Verweis führt jedoch wie weitere Verweise dieser Art (1Kön 15,7.31; 1Kön 16,14.20.27; 2Kön 15,11.15.21.26) fast ins Leere. Lediglich einmal wird Ahasja in den Büchern der Chronik erwähnt. Dies ist insofern bemerkenswert, als die Chronik weitgehend über die Nordreichsereignisse schweigt und bspw. auch den Synchronismus zwischen Joschafat und Ahab nicht übernimmt (vgl. 1Kön 22,41). Dennoch erwähnt der Chronist Ahasja und verkehrt die Umstände der Seefahrtunternehmungen Joschafats dabei in ihr Gegenteil (vgl. 2Chr 20,35-37). Anders als in der Vorlage weist Joschafat den Wunsch Ahasjas nach einer gemeinsamen Seefahrtkampagne nicht zurück, sondern gibt diesem statt. Dementsprechend wird er vom Chronisten negativ evaluiert und damit als erfolgreicher Regent desavouiert (2Chr 20,37).

Die Umkehrung der Verhältnisse in der Chronik gleicht in gewisser Weise den Verhältnissen der Darstellung → Rehabeams und Jerobeams I. in der Chronik, die gegenüber der Vorlage nicht als ständig in kriegerische Auseinandersetzungen involviert beschrieben werden. Vielmehr erzählt die Chronik durchaus auch von befriedeten Phasen (vgl. 1Kön 14,30; 1Kön 15,6; 2Chr 11,1-4).

3.2. Ahasja bei Jospehus

Auch → Josephus berichtet von Ahasja (vgl. Ant. VIII 430; Text gr. und lat. Autoren). Ähnlich wie der Chronist erzählt er davon, dass Ahasja und Joschafat bei deren Seekampagne gemeinsame Sache gemacht haben (Ant. IX 17; Text gr. und lat. Autoren). Dabei benennt er Ahasja in diesem Zusammenhang als „Sohn Ahabs“, so dass streng genommen auch von Joram, dem Nachfolger und Bruder Ahasjas, die Rede sein könnte. Im Zusammenhang mit Ahasjas Krankheit berichtet Josephus unter Nennung von dessen Namen davon, dass dieser Boten zur Fliege (gr. μυĩα myia) gesandt habe (Ant. IX 19; Text gr. und lat. Autoren).

4. Der historische Ahasja (853/2-852/1 BCE)

Der historische Rahmen zu Ahasja von Israel findet sich in 1Kön 22,40.52; 2Kön 1,18. Den Regierungsantritt auf 853 BCE zu legen, setzt voraus, dass Ahabs Todesjahr das erste Regierungsjahr Ahasjas war (vgl. Weippert 1978, 116). Grundsätzlich hat die kurze Regierungszeit Anlass zu Spekulationen gegeben, ob die Regierungszeit Ahasjas als historisch valide einzuschätzen ist. Robker (2012, 290) konstatiert: „Some insecurity in the regnal succession of Israel followed Ahab’s successful military campaign. This was due in large part to the injury and subsequent death of Ahaziah ben Ahab after a reign of less than two years. Ahaziah’s quick demise may be historical as well, but it can be neither validated nor invalidated.“ Sicher belegen lasse sich mit Blick auf die Tel Dan Inschrift allein die Regentschaft des auf seinen Bruder Ahasja folgenden Regenten Joram: „As the Tel Dan Inscription seems to suggest that the author of the text was familiar with a Joram of Israel at about the right time, it seems probable that Joram was at least a real king of Israel during this period“ (Robker 2012, 290; vgl. auch Knauf / Niemann 2021, 208). Auch Frevel (2018, 188) konstatiert, dass „aus historischer Sicht jeglicher Zeitansatz der Könige bis zum ausgehenden 9. Jh. v. Chr. sehr unsicher“ ist. Rekonstruiere man jedoch in Abweichung von Robkers minimalistischer Lesart den Namen „Ahasja“ auf der → Inschrift von Tel Dan, so ergebe sich auch von dort her eine besonders große Nähe, so dass „er sie auch in der auf die Okkupation des nördlichen Ortes gerichteten Inschrift zusammen nennt“ (Frevel 2018, 190).

Blickt man von dieser Evidenz auf die biblische Darstellung zurück, fällt die historiographische Abweichung zwischen 1Kön 22,51f.; 2Kön 1,17aβb und 2Kön 3,1-3 ins Auge: Gemäß 1Kön 22,51f. folgt in Juda auf König Joschafat König Joram. Zugleich heißt es, dass in Israel Ahasja im 17. Jahr Joschafats auf Ahab folgt. In 2Kön 1,17 heißt es, dass Joram von Israel König wird im zweiten Regierungsjahr Jorams des Königs von Juda. Zugleich heißt es in 2Kön 3,1, dass Joram von Israel im 18. Jahr Joschafats König wird. Damit bleibt die Frage offen, ob Ahasja zwei Jahre oder nur ein Jahr König von Israel war. Robker fasst den Stand der Forschung folgendermaßen zusammen:

„If Ahab died shortly after his encounter with Shalmaneser III, his last year would be identical to the first year of his son Ahaziah, whose second year in turn would be identical to the first year of his brother Joram. That means that the reign of the reign of Ahaziah would be reduced from two full years to some period more than one year, but still less than two years. This reconstruction provides the best answer to the apparent contradiction.“

Robker 2012, 218

In jedem Fall sind sowohl Ahasja als auch Joram als Söhne Ahabs anzusehen. Zugleich entsteht der Eindruck, dass es sich bei Joram von Israel und Joram von Juda um dieselbe Person handeln könnte (vgl. Frevel 2018, 188).

Eine entsprechende historische Neubewertung der Omridenzeit hat kürzlich Christian Frevel eingebracht. Der Staat Israel entstehe Frevel (2018, 223) zufolge erst unter den Omriden. Frevel (2018, 224) beurteilt die biblische Darstellung der Reichsteilung einschließlich der „Absetzung des Nordens vom Süden unter Jerobeam I.“ als literarische Fiktion. Im Gegenteil müsse „die historische Wirklichkeit wohl eher umgekehrt gewesen sein“ (Frevel 2018, 224). Ab der Zeit Joschafats (868-847 v. Chr.) rechnet Frevel mit einer Südexpansion der lokalen Herrscher von → Sichem „die in einer Suprematie der Omriden über den Süden mündet, die Jerusalem zum Filialkönigtum macht“ (Frevel 2018, 224). Entsprechend legten die Namens- und Zeitgleichheiten der Könige Israels und Judas „den Schluss nahe, dass es sich um dieselben Personen handelt“ (Frevel 2018, 189). Im Falle Ahasjas bedeutet dies, dass er als dynastischer Nachfolger Ahabs zugleich auch als Filialkönig in Jerusalem eingesetzt wurde und dort auf Joram folgte. Mithin wären Ahasja von Israel und Ahasja von Juda dieselbe Person. Vor dem Hintergrund der These eines israelischen Filialkönigtums in Juda ergibt sich auch eine neue Perspektive auf die Allianz zwischen Ahasja und Joschafat. Wenn auch Joschafat schon als Filialkönig Samarias von Ahasjas Gnaden regierte, könnte die Darstellung einer Seeallianz beider Könige in den Chronikbüchern plausibel sein. 2Chr 20,37 und 1Kön 22,51 wären dann auf je eigene Weise Geschichtsinterpretationen, die auf den Untergang des Nordreiches und dessen theologische Desavouierung reagieren. Gleichwohl hätte der Kern der Darstellung in 2Chr 20,35-37 eine hohe historische Plausibilität.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Encyclopedia of the Bible and its Reception, Berlin / New York / Boston 2009ff.

2. Zitierte Literatur

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  • Finkelstein, I. / Silberman, N., 2002, Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel, München
  • Frevel, C., 2018, Geschichte Israels, KThSt 2, 2. Aufl., Stuttgart
  • Frevel, C., 2019, Der Gott JHWH und der Exodus. Wo und wann lernt Israel seinen Gott JHWH kennen?, WUB Nr. 92, 36-43
  • Frevel, C., 2023, The Enigma of Baal-Zebub: A new Solution, in: F. Porzia / C. Bonnet (Hgg.), Divine Names on the Spot II. Exploring the Potentials of Names through Images and Narratives, Leuven / Paris / Bristol
  • Fritz, V., 1996, Das erste Buch der Könige, ZBK.AT 10,1, Zürich
  • Herrmann, W., 1999, Art. Baal-Zebub בעל זבוב, in: DDD, 2. Aufl., 154-156
  • Knauf, E.A., 2019, 1Könige 15-22, HThKAT, Freiburg / Basel / Wien
  • Knauf, E.A. / Niemann, H.M., 2021, Geschichte Israels und Judas im Altertum, Berlin / Boston
  • Koehler, L., 1952, Syntactica I, VT 2, 374-377
  • Lehnart, B., 2003, Prophet und König im Nordreich Israel. Studien zur sogenannten vorklassischen Prophetie im Nordreich Israel anhand der Samuel‑, Elija- und Elischa-Überlieferungen, VT.S 96, Leiden / Boston
  • McKenzie, S.L., 2018, 1Kings 16-2Kings 16, IECOT, Stuttgart
  • Mittmann, S., 2003, Architektonisches „Geflecht“ an Ahasjas Palast in Samaria, ZDPV 119, 106-118
  • Steck, O.H., 1967, Die Erzählung von Jahwes Einschreiten gegen die Orakelbefragung Ahasjas (2Kön 1,2-8.*17), EvTh 27, 546-556
  • Thiel, W., 2019, Könige. 2. Teilband: 1. Könige 17,1-22,52, BKAT IX,2, Göttingen
  • Weingart, K., 2020, Gezählte Geschichte: Systematik, Quellen und Entwicklung der synchronistischen Chronologie in den Königebüchern, FAT 142, Tübingen

3. Weiterführende Literatur

  • Albertz, R., 2015, Elia. Ein feuriger Kämpfer für Gott, BG 13, Leipzig
  • Alt, A., 1925, Studien aus dem Deutschen evangelischen Institut für Altertumswissenschaft in Jerusalem. Ein vergessenes Heiligtum des Propheten Elias, ZPV 48, 393-397
  • Jepsen, A., 1941-1944, Israel und Damaskus, AfO 14, 153-172
  • Köckert, M., 2006, „Gibt es keinen Gott in Israel?“ Zum literarischen, historischen und religionsgeschichtlichen Ort von II Reg 1, in: M. Beck / U. Schorn (Hgg.), Auf dem Weg zur Endgestalt von Genesis bis II Regum. Festschrift für Hans-Christoph Schmitt zum 65. Geburtstag, BZAW 370, Berlin / New York, 253-271
  • Miller, J.M., 1967, The Fall of the House of Ahab, VT 17, 307-324
  • Pietsch, M., 2018, Beelzebul oder Beelzebub? Text‑, religions- und literaturgeschichtliche Überlegungen zu 2Kön 1,2-18, UF 49, 299-318

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