Ahasja von Israel
Andere Schreibweise: Ahaziah
(erstellt: Mai 2024)
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1. Name
Der Name Ahasja(hu) (hebräisch: אֲחַזְיָהוּ / אֲחַזְיָה: ’ǎḥazjāhû / ’ǎḥazjāh, griechisch: Ὀχοζίας Ochozias, lateinisch: Ohozias) ist gebildet nach der Form PS (Prädikat + Subjekt) aus der Verbalwurzel: אחז (’ḥz: ergreifen, etw. halten / festhalten, verbinden) und dem theophoren Suffix יָהוּ jāhû bzw. יָה jāh (Koehler 1952, 375). Die Bedeutung ist demnach: Jahwe hat (seine Hand) ergriffen. Der Name ist biblisch für den parallel zu → Joschafat
2. Biblische Darstellung der Königebücher
2.1. Ahasjas Politik als König
Die Darstellung Ahasjas von → Israel
Zum Beginn der Regierungszeit wird geschildert, dass es zum Konflikt zwischen → Moab
Die → Septuaginta
Ahasja wird König im 17. Jahr des judäischen Königs Joschafat und regiert in → Samaria
[…] und er [sc. Ahab] diente dem Baal und warf sich vor ihm nieder. | Und er [sc. Ahasja] diente dem Baal und warf sich vor ihm nieder […] |
Die historiographischen Daten über Ahasja von Israel finden sich in 1Kön 22,40
Die Tatsache, dass seine Regierungszeit sich von 1Kön 22,40 bis 2Kön 1,18
Noch bevor Ahasja den Thron besteigt, wird die Initiative zu einer Seekampagne mit Joschafat beschrieben (1Kön 22,50
2.2. Ahasja und Elia
Angesichts der Kürze seiner Regierungszeit und dem Wenigen, was über diesen König berichtet wird, scheint es in der Anlage des Narrativs insbesondere um die Einbettung einer Elia-Episode (2Kön 1,2-17aα
Bereits die Grundstruktur der Begebenheit trägt einen ironischen Zug, da Ahasja durch eine „dreieck- oder rautenförmig durchbrochene Brüstung einer Dachterasse“ (vgl. Mittmann 2003, 115) fällt und sich dabei verletzt. Die ironische Lesart ist, dass JHWH ihm dabei eine Falle gestellt haben könnte, denn immerhin ist das Bildprogramm des Netzes in Hi 18,8f.
Der Umstand der Verletzung Ahasjas dient als Exposition für die Integration einer Elia-Episode. Die Episode folgt dem narrativen Muster eines starken Propheten, der gegen einen schwachen König opponiert. Anlässlich der Einholung einer Prognose zu seinem Krankheitsverlauf entsendet Ahasja eine Gesandtschaft zum → Baal-Sebub
Der Gesandtschaft stellt sich der Prophet Elia mit einer einschlägigen, gegen den Baal-Kult gewendeten, rhetorischen Frage in den Weg: Gibt es keinen Gott in Israel (אין־אלהים בישׂראל ’jn ’lhjm bjśr’l, vgl. 2Kön 1,3
Frevel (2023, 206) macht auf den Umstand aufmerksam, dass der Weg von Samaria nach Ekron nicht am Aufenthaltsort Elias, dem Berg Karmel, vorbeiführt und es mithin zu einer topographischen Unstimmigkeit komme. Entsprechend sei Elia in der christlichen Tradition nach Šeḥ Ša’aleh (südlich von Samaria) transloziert worden.
Zugleich wird Elia auffälligerweise in diesem Kapitel gleich fünf Mal אישׁ האלהים ’jš h’lhjm genannt (2Kön 1,9
2.3. Das Motiv des Baal-Sebub
Das Motiv des Baal-Sebub wird in der Forschung seit längerem diskutiert. So hat die ältere Forschung angenommen, dass es sich dabei um eine Verballhornung des Baal handelte. Dieser werde als Fliegengott zu einer Art „Witzfigur“ gemacht. Der Name Baal-Sebub sei demnach eine Verballhornung des Namens Baal-Sebul (dt. Baal ist Fürst, vgl. Lehnart 2003, 269).
Diese Auffassung wird neuerdings von Christian Frevel bestritten, der zeigen kann, dass zəbûb die ursprüngliche Lesart des Epithetons des Gottes von Ekron ist und signifikante Bedeutung hat. Textgeschichtlich zeigt Frevel (2023, 203-205), dass Baal-Sebub die älteste Lesart ist. Die Bezeichnung habe entsprechend nichts mit einem älteren Sebul zu tun. Demzufolge ziele der Text nicht darauf ab, sich über einen wie auch immer gearteten „Prinz Baal“ lustig zu machen, indem dieser ironisch mit Fliegen in Verbindung gebracht wird. „Herr der Fliegen“ stehe vielmehr in Verbindung mit der Produktion von Olivenöl in Ekron im 7. Jahrhundert v. Chr. In dieser Zeit gehörte Ekron zu den größten Olivenölproduktionsstätten der Welt (vgl. Frevel 2023, 222). In diesem Kontext wehre Baal die Fliegen ab, die die Ernte der Olivenbäume bedrohten. Die Verbindung mit einem Orakel, das in der Region offenbar bekannt war, führt Frevel auf eine traditionelle Verbindung zwischen Ekron und dem Orakel von Delphi zurück, da die Göttin PTGYH im Haupttempel von Ekron bezeugt sei. Entsprechend datiert er den narrativen Kern der Geschichte von 2Kön 1
2.4. Jonathan Robkers Rekonstruktion der ältesten literarischen Darstellung Ahasjas in einer „Israel-Quelle“
Jonathan Robker hält folgende Passage über Ahasja von Israel für die älteste erreichbare Fassung. Diese sei zugleich Teil einer von ihm rekonstruierten Israel-Quelle:
„Ahaziah ben Ahab reigned over Israel in Samaria two years. And Moab rebelled against Israel after the death of Ahab. And Ahaziah fell through the roof of his upper chamber in Samaria and was injured. And he died. And the rest of the deeds of Ahaziah that he did, are they not written on the scroll of the deeds of the days of the kings of Israel?“
Robker 2012, 309
3. Inner- und außerbiblische Rezeptionsgeschichte
3.1. Ahasja in den Chronikbüchern
Auch die Chronikbücher, die die Geschichte des Nordreiches weitgehend ausblenden, kommen auf Ahasja von Israel zu sprechen. In 2Chr 20,35-37
Eigentümlicherweise endet das Ahasja-Narrativ mit dem Hinweis auf weitere Berichte in den Büchern der Chronik von Israel (2Kön 1,18
Die Umkehrung der Verhältnisse in der Chronik gleicht in gewisser Weise den Verhältnissen der Darstellung → Rehabeams
3.2. Ahasja bei Jospehus
Auch → Josephus
4. Der historische Ahasja (853/2-852/1 BCE)
Der historische Rahmen zu Ahasja von Israel findet sich in 1Kön 22,40
Blickt man von dieser Evidenz auf die biblische Darstellung zurück, fällt die historiographische Abweichung zwischen 1Kön 22,51f.
„If Ahab died shortly after his encounter with Shalmaneser III, his last year would be identical to the first year of his son Ahaziah, whose second year in turn would be identical to the first year of his brother Joram. That means that the reign of the reign of Ahaziah would be reduced from two full years to some period more than one year, but still less than two years. This reconstruction provides the best answer to the apparent contradiction.“
Robker 2012, 218
In jedem Fall sind sowohl Ahasja als auch Joram als Söhne Ahabs anzusehen. Zugleich entsteht der Eindruck, dass es sich bei Joram von Israel und Joram von Juda um dieselbe Person handeln könnte (vgl. Frevel 2018, 188).
Eine entsprechende historische Neubewertung der Omridenzeit hat kürzlich Christian Frevel eingebracht. Der Staat Israel entstehe Frevel (2018, 223) zufolge erst unter den Omriden. Frevel (2018, 224) beurteilt die biblische Darstellung der Reichsteilung einschließlich der „Absetzung des Nordens vom Süden unter Jerobeam I.“ als literarische Fiktion. Im Gegenteil müsse „die historische Wirklichkeit wohl eher umgekehrt gewesen sein“ (Frevel 2018, 224). Ab der Zeit Joschafats (868-847 v. Chr.) rechnet Frevel mit einer Südexpansion der lokalen Herrscher von → Sichem
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
- Encyclopedia of the Bible and its Reception, Berlin / New York / Boston 2009ff.
2. Zitierte Literatur
- Albertz, R., 1996, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende der Königszeit, GAT 8/1, 2. Aufl., Göttingen
- Finkelstein, I. / Silberman, N., 2002, Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel, München
- Frevel, C., 2018, Geschichte Israels, KThSt 2, 2. Aufl., Stuttgart
- Frevel, C., 2019, Der Gott JHWH und der Exodus. Wo und wann lernt Israel seinen Gott JHWH kennen?, WUB Nr. 92, 36-43
- Frevel, C., 2023, The Enigma of Baal-Zebub: A new Solution, in: F. Porzia / C. Bonnet (Hgg.), Divine Names on the Spot II. Exploring the Potentials of Names through Images and Narratives, Leuven / Paris / Bristol
- Fritz, V., 1996, Das erste Buch der Könige, ZBK.AT 10,1, Zürich
- Herrmann, W., 1999, Art. Baal-Zebub בעל זבוב, in: DDD, 2. Aufl., 154-156
- Knauf, E.A., 2019, 1Könige 15-22, HThKAT, Freiburg / Basel / Wien
- Knauf, E.A. / Niemann, H.M., 2021, Geschichte Israels und Judas im Altertum, Berlin / Boston
- Koehler, L., 1952, Syntactica I, VT 2, 374-377
- Lehnart, B., 2003, Prophet und König im Nordreich Israel. Studien zur sogenannten vorklassischen Prophetie im Nordreich Israel anhand der Samuel‑, Elija- und Elischa-Überlieferungen, VT.S 96, Leiden / Boston
- McKenzie, S.L., 2018, 1Kings 16-2Kings 16, IECOT, Stuttgart
- Mittmann, S., 2003, Architektonisches „Geflecht“ an Ahasjas Palast in Samaria, ZDPV 119, 106-118
- Steck, O.H., 1967, Die Erzählung von Jahwes Einschreiten gegen die Orakelbefragung Ahasjas (2Kön 1,2-8.*17), EvTh 27, 546-556
- Thiel, W., 2019, Könige. 2. Teilband: 1. Könige 17,1-22,52, BKAT IX,2, Göttingen
- Weingart, K., 2020, Gezählte Geschichte: Systematik, Quellen und Entwicklung der synchronistischen Chronologie in den Königebüchern, FAT 142, Tübingen
3. Weiterführende Literatur
- Albertz, R., 2015, Elia. Ein feuriger Kämpfer für Gott, BG 13, Leipzig
- Alt, A., 1925, Studien aus dem Deutschen evangelischen Institut für Altertumswissenschaft in Jerusalem. Ein vergessenes Heiligtum des Propheten Elias, ZPV 48, 393-397
- Jepsen, A., 1941-1944, Israel und Damaskus, AfO 14, 153-172
- Köckert, M., 2006, „Gibt es keinen Gott in Israel?“ Zum literarischen, historischen und religionsgeschichtlichen Ort von II Reg 1, in: M. Beck / U. Schorn (Hgg.), Auf dem Weg zur Endgestalt von Genesis bis II Regum. Festschrift für Hans-Christoph Schmitt zum 65. Geburtstag, BZAW 370, Berlin / New York, 253-271
- Miller, J.M., 1967, The Fall of the House of Ahab, VT 17, 307-324
- Pietsch, M., 2018, Beelzebul oder Beelzebub? Text‑, religions- und literaturgeschichtliche Überlegungen zu 2Kön 1,2-18, UF 49, 299-318
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